70 Mexiko – Ein großes Land mit vielen Gesichtern

Ich habe Mexiko auf den Tag genau 11 Monate bereist. Ich bin in Cancun angekommen und habe mich den ganzen Weg bis nach Tijuana durchgeschlagen. Ich habe es geschafft in dieser Zeit nicht ein einziges mal ein Flugzeug zu besteigen, worauf ich sehr stolz bin. Bis auf ein oder zwei Ausnahmen, die ich unterwegs getroffen habe, bin ich auch der einzige, der das gemacht hat und ich habe das Land von A-Z und wieder zurück durchbusst. Was mir das bringt? Erfahrung, Sitzfleisch und wahrscheinlich die ein oder andere Erkältung. Aber vor allem ein Gefühl für Entfernungen und ich konnte mal wieder meinen Dickkopf unter Beweis stellen.

Laut meinen Recherchen ist Mexiko im übrigen so unglaublich groß, dass man ungefähr ein Jahr braucht um es zu bereisen ;-P

Links und rechts ist das Land eingezäunt von amerikanischen Partyhochburgen. Cancun im Osten und Los Cabos im Westen. Hat mit Mexiko soviel zu tun wie La Banda mit Volksmusik. Die gleichen Instrumente, aber ein anderer Gesang mit unterschiedlichem Inhalt. Es braucht mir also niemand zu behaupten, dass er in Mexiko war, weil er sich in einem Ressort den Hintern hat Pudern lassen.

Der Norden ist reich und die wirtschaftliche Kraft des Landes. Die Menschen sind allerdings unfreundlich. Die Hautfarbe ist generell heller, die Menschen größer und sie passen sich auch von ihrer Kleidung und ihrem Verhalten viel mehr an ihre nördlichen Nachbarn an. Natürlich halten sie sich auch für etwas besseres als der Rest des Landes. Der nördliche Nachbar färbt offensichtlich ab…

Der Süden ist arm steckt voller Kultur, indigener Völker und ist Lieferant für den Großteil von Gemüse und Früchten. Die Menschen sind klein, dunkler, manchmal etwas hinterwäldlerisch, aber auch deutlich freundlicher.

Von Dschungel bis Wüste und von Strand bis hoch in den Wolken kann man hier alles haben. Ich habe Nächte gehabt, in denen ich schweißgebadet wach geworden bin und es waren Nächte dabei, in denen ich mir den Arsch abgefroren habe.

Mit diesem Eintrag möchte ich nochmal ein paar Erfahrungen und Eindrücke teilen, die mir beim Reisen in diesem Land besonders aufgefallen sind und die meine Zeit hier irgendwie geprägt haben.

Das Essen
Eigentlich ist man mehr oder weniger immer das gleiche. Eine Tortilla mit Fleisch oder Fisch bzw. Meeresfrüchten ist fast immer die Basis des Gerichts. Ob klein oder groß. Dazu werden eigentlich immer Tomaten mit Zwiebeln und Petersilie, Limetten zum darüber träufeln, Guacamole, diverse scharfe Soßen von rot bis grün, ab und an Chilis und manchmal auch Bohnenbrei dargereicht. Mit oder ohne Käse entscheidet dann, ob man einen Taco oder eine Quesadilla bestellt.

Wenn man das ganze dann noch mit verschiedenen Tortillas und Brot-Teigvarianten durchkaut, hat man mehr oder weniger alle Gerichte abgedeckt, die die mexikanische Küche zu bieten hat. Ich spreche aber vor allem von Streetfood (Stände auf den Straßen).

Ich mag die Küche sehr und es gibt natürlich auch regionale Besonderheiten, wie z.B. die Mole in Oaxaca. In einer Variante wird eine dunkle schwere Soße mit Kakao hergestellt. Sie soll angeblich über 100 verschiedene Gewürze enthalten. Nicht jedermanns Geschmack, aber einen Versuch wert.

Nichtsdestotrotz wird die mexikanische Küche nach ein paar Wochen bzw. Monaten einfach zu einseitig und man obliegt doch hin und wieder der Versuchung ein Pizza oder Pasta zu essen. Was man hier als Brot bezeichnet ist leider auch nicht wirklich vergleichbar mit den europäischen Varianten, also fällt das im großen und ganzen auch flach.

Ich habe hier definitiv eher zu- als abgenommen. Nicht umsonst zählt Mexiko zu einem der dicksten Völker. Sie haben außerdem den größten Coca Cola Konsum, noch vor den USA!

Bier
Als Deutscher muss ich natürlich auch meinen Senf zum Bier abgeben. Mexiko hat ein paar ganz brauchbare Biere. Sie sind natürlich nicht so stark im Geschmack, wie die deutschen Biere, aber die meisten sind durchaus trinkbar. Das überall in der Welt bekannte Coronna wird eigentlich alle großen Marken weit überschätzt. Es ist halt „cool“! Wenn man irgendwo in einer Bullenhitze vor sich hin brütet, ist es allerdings ganz erfrischend. Mit einer Limettenscheibe dazu ziemlich gut. Trotzdem ist Pacífico (eher im nördliche Mexiko erhältlich) eine bessere Alternative, für meinen Geschmack. Ansonsten ist für Deutsche wohl Indio die beste Wahl. Es ist mehr als einmal vorgekommen, dass mir Leute meine Nationalität sagen konnten, weil ich Indio trinke 😀

Nun zu einem sehr traurigen Kapitel in Bezug auf Bier. Sie schaffen es hier tatsächlich Bier mit Clamato (Tomatensaft) und Chili zu Mischen. Soja- oder Maggiesauce kann auch noch darin sein. Dazu Salz am Rand und noch eine Tamarindestange rein. Das nennt sich dann Michelada. Das ist eine der widerlichsten Dinge, die ich je getrunken habe. Und ich habe es öfter probiert, weil ich dieser kulturellen Missgeburt eine Chance geben wollte. Nein! Das schmeckt einfach nicht!

Nur mit Salz und Limetten (Chelada) ist okay und auch erfrischend. Aber das andere Zeug. Igitt! „Woher kommst du?“ „Deutschland!“ „Ah ok, keiner von euch mag das!“

Die Effizienz
Mexikaner sind unglaublich ineffizient. Gerade als Deutscher kann ich das teilweise nicht nachvollziehen. Es wird etwas gemacht, danach stellt sich raus, dass es scheiße gemacht wurde und beim nächsten Mal macht man es einfach wieder genauso. Wäre zu einfach aus den Fehlern zu lernen und es das nächste Mal besser zu machen. Aber auf der anderen Seite schafft das anscheinend Arbeitsplätze. Ich habe mich schon oft gefragt, was es hier für komische Jobs gibt. Da steht ein Typ einfach den ganzen Tag vor dem Supermarkt und hält den Leuten die Tür auf. Manche davon sind noch nicht mal bei dem Supermarkt angestellt, sondern machen es einfach und hoffen auf ein Trinkgeld.

Oder diverse Geschäfte, die in Deutschland wahrscheinlich niemals öffnen würden. Du siehst da niemals jemand einkaufen und die Person sitzt den ganzen gottverdammten Tag auf einem Stuhl oder Hocker und starrt Löcher in die Luft oder in sein/ihr Smartphone. Und selbst wenn er oder sie hier zwei popelige Rucksäcke für je 80 Pesos (~4€) verkauft, kann sich das doch nie im Leben rechnen, dass der Laden sich halten könnte. Aber ich glaube hier wird einfach anders gerechnet bzw. kann man da schon irgendwas drehen, um die Miete auf anderem Wege abzugleichen. Siehe Absatz Korruption.

In Mexiko hat so ziemlich jedes Amt und jede Firma ihren Hauptsitz in Mexiko Stadt. Die Stadt platzt dementsprechend aus allen Nähten und es ist keine Besonderheit, dass manche Menschen hier 4-5 Stunden pro Tag pendeln. Da kann man in Deutschland durch das halbe Land fahren! Im Rest des Landes gibt es deshalb, außerhalb von Tourismus, auch relativ wenige Arbeitsplätze. Eine beschissene Situation. Der designierte Präsident Andrés Manuel López Obrador will das ändern und alles etwas dezentralisieren. Das wird sehr viel Geld kosten und er muss erst mal so lange leben… Diese Aussage stammt von Mexikanern, nicht von mir!

Korruption und die Exekutive
Es ist auch wahnsinnig interessant, wie das hier mit Vetternwirtschaft und Korruption vor sich geht. Im Hostel in La Paz ist die 24 jährige Besitzerin morgens reingekommen und hat mir ziemlich verkatert erzählt, dass sie gestern, wie so oft, besoffen gefahren ist, angehalten wurde und sie ihr das Auto abgenommen haben. 7000 Pesos Strafe müsse sie jetzt zahlen. Das sind umgerechnet 350€ und das ist hier viel Geld. Sie empfindet das als eine Frechheit sondergleichen. Vom Verlust eines Führerscheins war hier noch nicht mal die Rede.

Ohne große Aufregung erzählt sie mir dann, dass sie das schon irgendwie umgehen kann. 2 Stunden später hat sie dann eine Lösung. Die Putzfrau hat einen Bruder, der bei der Polizei ist. Im Endeffekt hat sie glaube ich 300 Pesos (~15$) gezahlt und kann jetzt wieder besoffen durch die Gegend fahren…

Ein Freund aus dem gleichen Hostel wurde unmittelbar vor dem Eingang des Hostels von der Polizei angehalten und kontrolliert. Danach waren 500 Pesos aus seinem Geldbeutel verschwunden. Als ich ein paar Wochen später zwei Blocks weiter kontrolliert wurde, habe ich direkt verstanden, warum der Polizist beim zurückgeben meines Geldbeutels „Check!“ gesagt hat… Ich hatte Glück. Und das waren nur ein paar Beispiele von vielen, die ich aus meinem direkten Umfeld weiß.

Ferien und Feiern
Semana Santa nennt man in Mexiko die Woche vor Ostern. Hier hat jeder frei und da sie sonst nur 1-2 Wochen Urlaub im Jahr zur Verfügung haben, rassten sie auch entsprechend aus. Mit Kind und Kegel und am besten der ganzen Kegelbahn fährt man, soweit möglich, ans Meer und lässt sich den ganzen Tag mit Bier volllaufen. Ich bin mit Paola in dieser Woche an den Strand Tecolote in La Paz gefahren. Sowas habe ich noch nicht erlebt. Der Strand war so brechend voll. Normalerweise ist hier sehr viel Platz und der Strand ist kilometerweit. Alles voller Autos. Alles voller selbst errichteter Pavillons. Events am Strand usw. Das Highlight des Jahres, wie es scheint. Das ist fast Ballermann hier…

Abgesehen von den „Residential Areas“ die Viertel der Mittel- bis Oberschicht, gibt es in Mexiko so etwas wie Sperrstunde oder Ruhestörung einfach nicht. In La Paz am Malecon hat die Musik die ganze Nacht durchgedudelt und als ich in San José war, haben sie um 4 Uhr nachts angefangen, mit der Blaskapelle durch den Ort zu ziehen und Kanonenschläge abzufeuern. Und ich rede hier nicht von der europäischen Version. Da schrecke ich auch tagsüber immer noch zusammen. In manchen Dingen haben die einfach ein Rad ab…

Was Mexikanern offensichtlich gerne wären
Da es überall auf der Welt Fernseher gibt, ist das in Mexiko also keine Ausnahme. Wenn man in diversen Restaurants, Bars, Warteräumen, was-weiß-ich-wo sitzt, wird man des öfteren dazu gezwungen, sich das Elend anzusehen. Ganz schlimm: Mexikanische Daily Soaps!

Was mich hier regelmäßig zum Kotzen bringt ist, dass hier keine mexikanisches Gesicht zu erkennen ist. Zumindest kein mexikanisches Gesicht, dass der 0815 Westler für eines halten würde. Diese beschissenen Seifenopern sind von A-Z von der weißen mexikanischen Oberschicht durchzogen. So will man eben sein und aussehen. Mexikaner sind sehr stolz auf ihr Land, was ich persönlich sehr schön finde. Aber hier verstehen sie eindeutig etwas falsch.

MeToo
Es ist wirklich nicht schön, was in den letzten Monaten durch die Medien bekannt wird, wie stark die sexuelle Belästigung in unserer Gesellschaft verankert ist. Ich hoffe, dass sich das durch diese Aktion ändert und manch einer dieser Primaten mal ein bisschen zu denken anfängt.

Aber das was man aus den westlichen Medien hört, ist leider nur ein Kindergeburtstag im Vergleich zu dem, was teilweise hier in Lateinamerika ab geht.

Es ist an der Tagesordnung, das Männer ihre Hosen in der vollgestopften U-Bahn an junge Mädels reiben. Es scheint sogar durchaus vorzukommen, dass ein Typ einfach seinen Pimmel rausholt und fragt, ob er ihr gefällt. Vergewaltigung scheint auch eher ein Kavaliersdelikt zu sein. Zeit oder Platz für psychische Probleme dadurch scheint es hier nicht zu geben. Es gehört anscheinend zu sehr zum alltäglichen Leben. Mädchen und Frauen nehmen unterschiedliche Wege nach Hause, um die Gefahr etwas einzudämmen, dass sie über einen Zeitraum beobachtet und verfolgt werden. Paola hat mir erzählt, dass sie mal von einem Mann eine halbe Stunde verfolgt wurde, weil er ihr unbedingt an den Arsch fassen wollte. Zuhause hat sie das ihrer Schwester geschildert. Ihre Reaktion: „Was hattest du an?“

Man(n)/Frau soll mich hier bitte nicht falsch verstehen. Das ist kein: „Dir geht es in der westlichen Welt doch vergleichsweise gut! Also stell dich nicht so an Fräulein!“ Ich schildere nur, was ich in meiner Zeit in Mexiko/Lateinamerika bisher aufgeschnappt habe. Das sind Dinge, mit denen ich als Mann nicht konfrontiert bin. Insofern habe ich es deutlich leichter beim Reisen. Aufgrund dessen habe ich auch einen Heidenrespekt vor Frauen, die sich hier alleine durch die Gegend schlagen.

Höflichkeit
Eine eigentlich sehr liebreizende Eigenschaft von Mexikanern ist ihre übertriebene Höflichkeit. Wenn sie ein Haus betreten kannst du Gift darauf nehmen, dass du dabei „Con permiso“ hörst. Was soviel heißt wie: „Mit Verlaub.“ „Sie gestatten.“. Das passiert dir aber auch, wenn sie auf der Straße an dir vorbeigehen. Wie gesagt, eigentlich süß. Das Problem ist nur, dass diese Manier noch aus Zeiten stammen, als sie noch von den Konquistadoren unterjocht wurden. Als sie als Sklaven bei jeder Bewegung um Erlaubnis fragen mussten. Muss man das heute wirklich noch tun? Oder ist das einfach Teil der Kultur?

Ebenso verhält es sich mit „Mande“. Es wird gesagt, wenn man etwas nicht verstanden hat. Das Wort „mandar“ heißt befehlen. Noch Fragen?

Fazit
Mexiko ist ein wunderschönes Land mit nahezu unendlich vielen Facetten. Ich könnte mir durchaus vorstellen hier zu Leben. Die Menschen sind wirklich sehr, sehr freundlich, nett und hilfsbereit. Ob jung oder alt, Leute lächeln mich oft an und grüßen mich. Wie viele Leute lächeln in Deutschland einen Menschen mit einer anderen Hautfarbe bzw. fremden Wurzeln an? Gerade die aktuelle Entwicklung zeigt mir mal wieder, was ich an unserer ach so überlegenen Gesellschaft so verachte.

Es ist gut entwickelt und trotzdem kein hypermodernes Land. Man kann alles bekommen, wenn man bereit ist weit genug zu fahren bzw. wenn man die entsprechende Summe bezahlt. Das gilt sowohl für Anliegen mit der Polizei als auch um materielle Dinge. Aber natürlich hat alles seine Schattenseiten. Das was man hier als Tourist erleben kann ist wundervoll. Aber wie es aussieht, wenn man sich hier sein eigenes Geschäft, seine eigene Existenz aufbauen will steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Sobald die Narkos vor der Tür stehen weht ein anderer Wind und das ist mit Sicherheit keine angenehme Brise.

Ich könnte noch stundenlang so weiter schreiben, aber ich will ja auch noch was von der Welt sehen und nicht nur in die Tasten hauen.

In diesem Sinne !Viva Mexico!

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