San José del Pacifico ist sehr überschaulich. An der Bergstraße, die in der Region die Verkehrsader ist, reihen sich ein paar kleinere Restaurants, ein paar Tante Emma Lädchen, Souvenirstände und die Bushaltestelle.
Wenn man sich hier so umsieht wird recht schnell deutlich, was Sache ist. Pilze. Halluzinogene Pilze! In künstlerischer Form an fast jeder Hauswand zu sehen und auch die Souvenirstände bieten sie in allen Farben und Formen an.
Der Engländer in Puebla hat die Pilze zwar auch erwähnt, aber dass es sich hier um die „Pilzhauptstadt“ Mexikos handelt, wurde mir dann erst bei Recherche vor Ort bewusst. Legal ist das zwar in Mexiko auch nicht, aber anscheinend ist das hier eine Freizone. Die Polizei kümmert sich hier um nichts. Das Dorf scheint das ganz gut selbst hinzukriegen.
Vor Ort angekommen frage ich mich nach einem Zimmer durch. Online findet man nur eine einzige, etwas gehobenere Unterkunft. In einem „Hostel“ angekommen wird mir ein dunkles und kaltes Mehrbettzimmer angeboten. Noch bevor ich ablehne, kommt ein „Mushrooms, Mariuhana, LSD, Opium, Ecstasy???“ Wo bin ich denn hier gelandet?
Nein, ich bevorzuge diesmal ein Privatzimmer. Die Preise hier sind sehr günstig, da muss ich nicht das billigste nehmen. Auf der anderen Straßenseite werde ich für 200 Pesos fündig. Recht rustikal, aber ich habe ein riesiges Fenster und einen tollen Ausblick, falls es nicht zu bewölkt ist…
Es ist schweinekalt hier, die Luftfeuchtigkeit ist sehr hoch und mir geht ultraschnell die Puste aus. Aber das ist auch keine Wunder. Das Dorf liegt auf 2500m und ist die Hälfte des Tages mitten in den Wolken. Es regnet auch oft und das über mehrere Stunden. Die Regenzeit beginnt!
Da ich schon während der Fahrt nach San José am Frieren bin, versuche ich mir etwas aus dem Rucksack zu holen. Ich habe ein Vorhängeschloss an meinem Rucksack, dass ich vor allem für die Busfahrt, wenn ich am Schlafen bin, nützlich finde. In Guadalajara habe ich mir ein neues kaufen müssen. 2 Wochen später, genauer gesagt hier im Bus, muss ich feststellen, dass das eigentliche Schloss gebrochen ist und ich den Schlüssel nicht mehr reinstecken kann. Made in China… Also ist meine erste Handlung im Eisenwarenladen vorbeizugehen, den ich auf dem Weg gesehen habe. Ein paar Minuten später stehe ich mit meinem Rucksack am Tresen des Geschäfts, habe eine kleine Metallsäge in der Hand und säge mir den Weg zu meiner Kleidung durch. Am Ziel angelangt kaufe ich dann gleich ein neues Schloss. Gleicher Preis, deutlich bessere Qualität… Den Rest des Tages versuche ich eigentlich nur noch, nicht mehr zu frieren.
Am nächsten Tag schaue ich mich etwas um, ich klappere auch verschiedene andere Unterkünfte ab. Vielleicht finde ich noch etwas besseres. Aber nichts sagt mir so wirklich zu. Die Backpacker Absteigen kommen mir eher wie Opiumhöhlen vor. Beim anschauen der Unterkünfte merke ich erst einmal, wie viele Touristen tatsächlich hier sind. Wenn ich zur Hauptstraße gehe, um zu essen, treffe ich nur selten andere. Viele scheinen sich in ihren Kokon aus Drogen einzunisten und sich dem Rausch hinzugeben.
Am Abend komme ich seit längerem mal wieder in den Genuss einer „Chocolate de agua“. Die Schokolade aus Oaxaca wird einfach in heißem Wasser zerstampft und aufgekocht. In Mexiko ist es eher üblich, dies mit Wasser als mit Milch zu trinken. Zuerst war ich etwas skeptisch, aber mittlerweile mag ich den Geschmack. Die Schokolade generell ist auch wirklich lecker.
Am nächsten Tag geht es in den Wald. Mit etwas Proviant, meiner Kamera, meiner Ukulele und Regensachen mache ich mich auf den Weg. Ich will irgendwo ganz alleine sein. Weit weg von allem, einfach ich und die Natur. Wenn möglich mit einem Blick ins Tal 🙂 Der Wald hat etwas mystisches. Es ist kalt, feucht und still. Erstaunlicherweise haben Agaven sich hierher verirrt und strahlen etwas bedrohliches aus.
Nach etwa einer halben Stunde den Hauptpfad entlang bleibe ich an einer Blume stehen, die mir auffällt. Hier biegt außerdem ein kleiner Trampelpfad ab, der Steil bergauf geht. Es kitzelt mich und ich biege ab. Das hätte ich mir mit meiner Ukulele im Gepäck besser zweimal überlegt. Der Pfad wird immer steiler und an manchen Stellen lässt sich irgendwann nur noch erahnen, wo es weiter geht. Eine Stunde kämpfe ich mich mit etlichen Verschnaufpausen den Berg hoch. Manchmal muss ich sogar den Rucksack ausziehen, weil ich unter einem Baumstamm durch muss oder sowas in der Art. Die Ukulele ist aber zum Glück heil geblieben 😉
Irgendwann stehe ich an einem Baumstamm ohne Rinde, der quer auf dem Pfad liegt. Eigentlich bin ich noch nicht ganz oben, aber ich bezweifle auch, dass ich da oben einen freien Blick aufs Tal haben werde. Immerhin habe ich hier einen freien Blick vor mir in den Wald. Also beschließe ich hier erst einmal Rast zu machen. Als ich mich umschaue sehe ich plötzlich die gleiche Blume wieder, die mich auf den Pfad gebracht hat. Ich deute das als eine richtige Entscheidung!
Und wie ich da so sitze auf meinem lustigen Baumstamm und abwechselnd esse, Ukulele spiele, Fotos mache und lese, darf ich miterleben, wie der Wald vor mir im 15 Minuten Takt von sonnig und halbwegs klar bis sehr düster und neblig wechselt. Es ist faszinierend, wie sich der eigene Gemütszustand davon beeinflussen lässt.
Nach mehr als einer Stunde auf dem Baumstamm sagt mir etwas, dass ich jetzt besser gehen sollte. Richtig, es war der Donner…
Oh fuck, wenn es jetzt wirklich zu pissen anfängt, bin ich geliefert. Das könnte eng für meine Ukulele werden. Nach 20 Minuten und ein paar Rutschpartien auf meinem Allerwertesten, bin ich zurück auf dem Hauptpfad. Bergauf war doch eine andere Nummer!
Zu regnen hat es erst begonnen, als ich schon wieder im Dorf war. Ein Erlebnis, dass mir in Erinnerung bleiben wird.
Eine besondere Tradition, die es hier in Oaxaca gibt, nennt sich Temazcal. Eigentlich ist es so etwas wie eine Dampfsauna in einem kleinen Lehmiglu. Dazu werden Steine von außen erhitzt, auf die im Inneren die verschiedensten Kräuter und Sträucher gelegt und alle 2 Minuten mit Wasser übergossen werden. Darüber hinaus wird das ganze durch eine Art Zeremonie begleitet.
Mein Vermieter hat so ein Ding. Ich sehe die Schilder und spreche ihn auch am ersten Tag darauf an und frage, ob man das machen kann. Mit seiner Erklärung kann ich leider nicht so viel anfangen. Ich verstehe ihn fast nicht. Er erklärt mir irgendwas über die Sauna. Letztendlich würde ich sagen, war die Antwort positiv, aber auf der anderen Seite sehe ich bisher kein Anzeichen davon, dass das Ding benutzt wird.
Am zweiten Tag frage ich beim Frühstücken im Dorf nach, ob sie mir ein Temazcal empfehlen können. Ich bekomme einen Namen, der mir von Nachforschungen im Internet bekannt vorkommt. Navarro!
Also nichts wie hin. Ich brauche auf jeden Fall einen „Termin“ wenn ich das morgen machen will. Es liegt etwas außerhalb des Dorfes und leider treffe ich niemanden an. Okay, soll wohl nicht so sein!
Wir schreiben Tag 4 meiner Anwesenheit in San José del Pacífico. Da mich der Ort ein wenig depressiv macht mit seinem ständigen Regen und Wolken bis hinter meine Brillengläser, beschließe ich heute abzureisen. Das Hostel gegenüber hat eine Küche und bietet somit auch Frühstück an. Es hat eine Holzveranda im ersten Stock und bietet einen schönen Ausblick. Auch wenn er fast gleich zu meiner Aussicht im Zimmer ist. Dort sitze ich nun und trinke meinen Kaffee, warte auf mein vegetarisches Omelette und genieße die Aussicht tief in die Schlucht. Der morgen ist sehr klar. Sogar sonnig. Jetzt hätte ich ja doch Lust, noch etwas zu bleiben…
Und da sehe ich es… weißer Rauch. Wir haben einen Papst!!! Stopp, nein!!! Das war etwas anderes. Das Temazcal ist in Betrieb und ich habe Leute reingehen sehen. Also Frage ich nochmal nach und kann dann nach der Gruppe rein. Das gibt mir noch Zeit meine verschollene Socke bei der Wäscherei zurückzufordern. Mit Erfolg!
Als es dann losgeht, stehe ich ohne Kleidung vor dem überdachten Eingang des Temazcals. Der Mann, der die „Zeremonie“ leitet, gibt mir einen kleinen Strauß mit Blumen und Gräsern. Ich soll das halten. Gut, mache ich. Währenddessen läuft er mit einer rauchenden Schale um mich herum und pustet den Rauch auf mich. Erinnert mich an Weihrauch, auch wenn der Geruch doch anders war.
Danach geht es in das Temazcal. Das Iglu hat vielleicht einen Durchmesser von 2,5m und ist an der höchsten Stelle etwas 1,60m. Ich kenne nur 3 Erwachsene, die darin stehen könnten 😉 Darin befindet sich die Stelle mit den heißen Steinen und den Gräsern, Kräutern und was weiß ich was darauf. 5 kleine Holzhocker und eine Schale mit Wasser. Der Mann erklärt mir, dass ich alle 2 Minuten Wasser auf die Steine gießen soll, damit es durchgehend dampft. Außerdem die Klingel, falls ich umkippe 😀
Ich habe wirklich Glück, dass ich alleine hier bin. So kann ich das viel besser genießen und Wasser darauf machen, wie ich will. Dann fängt plötzlich das tiefe dröhnen von Trommeln von außen herein. Indigene Klänge in Kombination mit dem Bass verleihen dem ganzen zusätzlich einen mystischen Charakter.
Ich kann euch sagen, das Temazcal hat ganz schön Dampf unter der Haube. Manchmal sehe ich nicht mehr die Wand auf der anderen Seite und kurz nach dem Aufguss ist die Luft so heiß, dass es sogar etwas unangenehm beim Atmen ist. Aber ich schwitze mir den Dreck aus dem Körper und schlechte Gedanken aus meinem Geist!
Nachdem ich mir nochmal einen extra Eimer Wasser geordert habe, geht es nach einer Stunde extremen Dampfbad nach draußen. Den Strauch lege ich jetzt dann mal so langsam auf die Seite… Jetzt reibt er mir den Rücken mit Lehm ein und sagt mir, dass ich den Rest selbst machen soll. Ich befreie damit meine Haut von totem Gewebe. Wow, das habe ich sogar verstanden 😉
Danach nimmt er eine Schale Wasser und übergießt mich. Zu meiner Verwunderung ist es warm. Ist mir auch lieber. Nach dem 5. Mal ist es plötzlich eiskalt. Dieser Dreckskerl hat mich gelinkt 😀
Danach bin ich fertig und entspannt, wie schon lange nicht mehr. Es hat sich wirklich gelohnt für diese Erfahrung noch einen Tag dranzuhängen. Ich glaube die ursprüngliche Zeremonie, die auch besagter Navarro anbietet, ist noch etwas komplexer mit mehr Ritualen. Aber ich fand es ein sehr interessantes Erlebnis und immerhin war ich mal in einer Dampfsauna, die nicht aussieht wie das komische weiße Plastikei, aus dem Darth Vader schlüpft 😉
Es würde mich jetzt doch mal interessieren, wer diesen Satz verstanden hat…
Es ist immer wieder schön mitzulesen! 🙂
Das freut mich und es ist immer wieder schön wenn ich ein Feedback bekomme 🙂
Von uns bekommst Du es ja auf anderen Wegen. Nicht schleifen lassen wir lesen immer germe von Deinen Abenteuern ??
Da hast du recht. Ihr bekommt ja auch ab und zu nicht veröffentlichtes Material ;-P
Finde deinen Bericht sehr informativ. Habe ihn kurz nach der TV Sendung im ARD Weltspiegel am Sonntag 05.11.2023 19 Uhr über San Jose del Pacifico und die Magic Mushrooms gelesen. Weiter so. Liebe Grüße Gerd