112 Ometepe – Der Gärtner von El Zopilote

Um 13 Uhr nehme ich den Bus, der mich auf die andere Seite des Vulkans bringt. Danach muss ich nochmal umsteigen und befinde mich in einem vollgestopften Bus. Selten in einem so vollen Bus gewesen. Hier wird leider nichts auf das Dach geworfen und hier gibt es auch keine Gepäckfach. Der Bus hält auch eher nur kurz an und lässt Leute raus- und andere aufspringen. Das macht es neben chaotisch auch noch ziemlich hektisch. Irgendwie landet dann mein großer Rucksack mitten im Bus zwischen den Leuten und ich stehe mit meinem kleineren Rucksack und der Ukulele auf der Treppe am Hinterausgang. Es gibt keine Tür und es wird ein Balanceakt aus: Mich dünn machen, damit Leute ein- und aussteigen können, aufpassen, dass ich bei der Fahrt weder aus dem Bus falle, noch durch abruptes Bremsen irgendwo dagegen geschleudert werde und dem Beschützen meiner Ukulele und meinem Rucksack vor unaufmerksamen Menschen.

Irgendwann ist die Gefahr gebannt und ich laufe den Rest (2km) bis zur Unterkunft. Wie ich im Nachhinein feststellen durfte, hätte der Bus direkt vor der Tür gehalten… So brauche ich ungefähr 25min bis zum Eingang und dann nochmal 10min den Pfad entlang bis zu meinem eigentlichen Ziel. Da es ziemlich heiß ist und das restliche Stück mit dem Gepäck ziemlich anstrengend ist, bin ich froh, als ich endlich an der Rezeption ankomme.

El Zopilote
Der Busshop

Nach dem Einchecken und Ablegen meines Gepäcks schaue ich mich erst mal etwas im Gelände um, dass sich als riesig entpuppt (7ha). Zum Glück geben sie einem eine Karte damit man die Orientierung nicht verliert.

El Zopilote
Das Restaurant und Aufenthaltsbereich
Mehrbettzimmer

Am nächsten Tag findet eine Permakultur Tour statt. Der Inhaber führt die Gäste durch das Grundstück und erklärt, was sie so alles gemacht haben, was sie anbauen, welche Eigenschaften und Vorteile manche Pflanzen haben und vieles mehr. Es wird hier im Prinzip so gut es geht alles wiederverwertet und wieder in den Kreislauf eingebunden, um erstens möglichst eigenständig zu sein und nicht von vielen Dingen von außerhalb abhängig zu sein und zum anderen auch einfach, um möglichst wenig Müll zu produzieren. Wir sprechen hier unter anderem vom Produkt der Komposttoiletten, dass durch weiteren Prozess und einem Jahr Kompostierung zu fruchtbarer Erde umgewandelt wird, 100% Solarenergie, Herstellung eigener Produkte aus den hiesigen Pflanzen, usw. Hier geschehen einige sehr interessante und aus meiner Sicht auch wissenswerte Dinge. Die Lebensmittel, die sie anbauen werden im dazugehörigen Restaurant angeboten, das wirklich ausgezeichnet ist.

Abgesehen von der Permakultur werden auch fast alle anderen Aktivitäten kostenlos angeboten. Es gibt z.B. 2x am Tag Yoga und auch andere Workshops, abhängig von den zur Zeit dort arbeitenden Volunteers.

Nach ein paar Tagen als Gast, entscheide ich mich dazu, als Volunteer anzufangen. Das war eigentlich von Anfang an mein Plan. Eigentlich hätte ich mich sehr dafür interessiert dort anzuknüpfen, wo ich das letzte Mal aufgehört habe. Konstruktion. Hier gibt es sehr viele Bambushütten und auch Gebäude, die aus Cobe gemacht wurden.

Gebäude aus natürlichen Materialien

Cobe ist ein natürliches Material, das aus Lehm, Sand, Stroh und Wasser gemischt und entweder direkt modelliert oder in entsprechenden Formen zu Bausteinen geformt werden kann. Hier könnte ich also ein paar neue Dinge in diesem Bereich dazu lernen. Leider fehlt ihnen für neue Projekte gerade das Geld und so bleibt mir eben die Möglichkeit in der Permakultur im Garten zu arbeiten. Hier kann und werde ich auch einiges lernen und deshalb entscheide ich mich dafür hier anzufangen.

Es gibt mehrere Jobs, die ein Volunteer hier in El Zopilote machen kann. Man kann neben der Gartenarbeit auch in der Produktion arbeiten (Brot backen, Honig, Nutella, Granola, Marmelade, Pesto usw. herstellen), im Bus arbeiten und handgemachte Sachen verkaufen, wie z.B. Schmuck, Seife, Brot, etc. Es gibt auch einen eigenen Volunteer Koch, der die zwei Mahlzeiten pro Tag für die Gruppe kocht. Da die Besitzer Italiener sind, gibt es zweimal die Woche ‚Pizza Night‘. Dafür werden auch zwei Volunteers benötigt. Auch die Yogalehrer sind Volunteers und können gerade als Anfänger gut Erfahrung sammeln. Wie ich finde ein gutes Konzept. Während meiner Zeit dort sind wir zwischen 8-15 Volunteers. Wir sind eine große Familie.

Wir arbeiten 25h die Woche und bekommen drei Mahlzeiten am Tag plus die Unterkunft. Am Pizza Tag bekommen wir eine Pizza im Wert von 5$. Was darüber hinaus geht, müssen wird selbst drauf zahlen.

Für mich ist von Anfang an klar, dass ich im Garten arbeiten will. Eventuell noch die Produktion. Ich bin hier um etwas zu lernen. Alles andere ist zwar nichts schlechtes, aber ich will mehr als nur Geld sparen.

In meinen ersten Tagen ist es noch trocken und wir müssen das Beet gießen. Das dauert gute zwei Stunden und ich frage mich, ob ich jetzt jeden Tag hier stundenlang gießen soll. Naja, die Regenzeit soll ja bald anfangen.

Meine Schicht beginnt morgens um 7 und endet um 12. Nichts ist hier in Stein gemeißelt und ich fange grundsätzlich später an. Es gibt ein paar Aufgaben, die ich jeden Tag erledigen muss. Ich bringe zuerst den Biomüll zu einem bestimmten Platz und decke ihn mit einer Art Strohgras ab. Der Rest kompostiert sich selbst und wird bald zu Erde verarbeitet oder wir Pflanzen direkt dorthin. Dank des tropischen Klimas wächst hier alles deutlich schneller. Manchmal komme ich 1-2 Wochen nicht an eine Stelle, wo wir gepflanzt haben und das Zeug ist schon ziemlich groß geworden und trägt teilweise schon Früchte.

Zu der Morgenroutine gehört auch, dass ich die Eierschalen aus der Küche auf einen dafür vorgesehen Haufen werfe. Diese werden später zum Erstellen der Erde verwendet, die wir für das Anlegen der Beete und der Setzlinge verwenden. Danach wird der Salat für die Küche gepflückt. Dies sind die Aufgaben, die ich jeden Tag mache und die, je nach Größe des Teams, 1-2 Stunden in Anspruch nehmen. Alles andere variiert immer wieder.

Salat

Eine andere Familie bietet ganz in der Nähe jede Woche einen kostenlosen Workshop für Adobe an. Adobe sind sozusagen Bausteine für Häuser, die aus den natürlichen Materialien Lehm, Sand, Stroh und Wasser hergestellt werden. Der einzige Unterschied zu dem weiter oben erwähnten Material Cobe ist, dass Adobe in einer Form zu einem Baustein geformt wird und vor der Verwendung durchtrocknen muss, während Cobe einfach feucht modelliert wird und die Konstruktion selbst einige Zeit trocknen muss.

Adobe Steine
Beim Mischen des Materials
Adobe Steine mit der Form

Tag 10:

Wenn ich es bis vor ein paar Tagen noch ziemlich anstrengend fand unter der starken Sonne zu arbeiten und kaum Schatten zu haben, so hat sich das seit ein paar Tagen geändert. Es regnet schon ungefähr 4-5 Tage ununterbrochen. Und da ich hier in den Tropen bin und gerade Regenzeit ist, meine ich mit Regen, dass es zwischenzeitlich auch mal regnet, als ob sich plötzlich ein Ozean über mir entleert. Die Kleidung spielt bei dieser intensiven Bewässerung eigentlich keine Rolle mehr. Wenn ich meine Regenjacke trage, saugen sich Hose und Unterhose trotzdem voll. Also kann ich auch einfach ohne T-Shirt arbeiten. Nur wenn zu dem Regen auch noch Wind dazu kommt wird es ungemütlich. In der Regenjacke wird es irgendwann auch einfach nur stickig und ich schwitze soviel, dass ich eben durch meinen Schweiß nass werde. Also ist das auch irgendwie sinnlos. Leider gibt es nahezu keine Unterstellmöglichkeiten und da man die meiste Zeit unmittelbar im Feld arbeitet, kann man sich auch fast nie seine Arbeit mit unter ein Dach nehmen.

Krass ist es, wenn man plötzlich das Geräusch eines Flusses hört, sich fragt, wo denn hier bitte ein Fluss ist, um dann festzustellen, dass es der starke Regen ist, der über den Dschungel hinweg walzt und sich den Weg zu einem bahnt. Ein beeindruckendes Szenario.

Auch am Abend/in der Nacht kann der Regen ungemütlich sein. Einige der Volunteers sind in einem separaten Grundstück untergebracht, dass nachträglich dazugekauft wurde. Es nennt sich La Brisa. Diese Unterkunft befindet sich 10-15 Minuten vom Restaurant/Aufenthaltsbereich entfernt. Der Weg geht einen 40cm breiten Pfad aus Steinen und Zement auf den höchsten Punkt des Grundstücks und auf der anderen Seite wieder ins Tal (welches bei starkem Regen zu einem Fluss wird). Auf der anderen Seite müssen wir dann ein noch steilere Treppe nach oben, über den höchsten Punkt hinaus. Es ist jedes Mal ein Abenteuer und bis man dort ist, ist man jedes Mal nass bis auf die Knochen. Entweder vom Wasser oder vom Schwitzen. Ich bin mittlerweile auch schon zwei Mal in der Nacht bei Regen ohne Kleider zurück gelaufen, weil ich einfach keine trockenen Klamotten mehr hatte. In diesen Tagen trocknet einfach nichts. Durch den Dauerregen ist es ziemlich abgekühlt. Die Luftfeuchtigkeit bleibt aber trotzdem unverändert. Alles was irgendwo an einer Leine hängt wird nicht wirklich trocken, sondern fängt langsam an modrig zu riechen.

Den weit entfernten Bereich bewohnen nur eine paar der Volunteers. Wir müssen da immer hin und uns durch den Regen kämpfen, während die anderen nur relativ kurze Wege haben und diese Gewaltmarsch gar nicht kennen und nicht immer total durchnässt sind. Das schafft eine Gemeinschaft der Leittragenden.

Neben dem Marsch durch den Regen müssen wir uns auch um das Hundefutter kümmern. La Brisa war einmal ein separates Hostel und wurde irgendwann aufgekauft. In diesem abgezäunten Bereich haben wir Hunde, deren Futter wir jeden Abend noch zusätzlich mitschleppen dürfen. Die Hunde haben alle drei einen ordentlichen Knall. Dazu aber in einem anderen Bericht mehr.

Es ist einfach unfassbar, wie sich die Landschaft durch die Regenzeit in so kurzer Zeit ändern kann. Wenn es zuvor zwar durchaus grün, aber dennoch teilweise trocken und braun rötlich war, ist das jetzt komplett verflogen. Alles ist zu einem saftigen Grün geworden und man kommt mit dem Schneiden der Büsche überhaupt nicht mehr nach.

Hier sind einige Gräben ausgehoben, die sich quer durch das Grundstück schlängeln und dazu dienen das Wasser geordnet abfließen zu lassen, ohne zu viele Inhaltsstoffe der oberen Erdschicht wegzuspülen. Diese waren bis vor ein paar Tage leer und trocken. Heute sind sie voll und rauschen vor sich hin.

Der Weg nach La Brisa ist mittlerweile nur noch durch eine Fluss zu erreichen. Im Tal, welches ich vorhin beschrieben habe, steht mittlerweile fast kniehoch das Wasser. Zum Glück laufe ich sowieso nur barfuß.

Abgesehen von der Arbeit sieht man hier generell viel von Flora und Fauna. Wir sind wirklich mitten im Dschungel. In eine der ersten Nächte hatten wir unsere ersten beiden Skorpione im Zimmer und zwei Skorpionspinnen, welche ich noch nie zuvor gesehen habe.

Skorpionspinne

Wenn es mir in der ersten Nacht noch etwas ungeheuer war, habe ich mich in der zweiten Nacht schon daran gewöhnt. Man ist ja unter einem Moskitonetz. So macht es einem dann auch nichts mehr aus, wenn am Abend mal eine Tarantel durch den Aufenthaltsbereich spaziert und es lässt mich mittlerweile ziemlich unbeeindruckt, dass ich am Vordach des Zimmers eine Tarantel sehe, die ohne große Mühe in das Zimmer kann, weil die Abschlusskante von Wand zu Decke nicht existiert. Die Unterkunft ist quasi offen, aber wir haben wie gesagt ein Moskitonetz.

Tarantel am Vordach
Tarantel im Restaurant

Beim Arbeiten im Garten habe ich vor ein paar Tagen zwei Baumschlangen vor mir hergetrieben und auch schon mal eine Kröte ungewollt durch die Gegend getreten, als ich Nachts im Dunkeln durch die Gegend gelaufen bin. Die Dinger haben eine stattliche Größe von ungefähr zwei Fäusten oder mehr… Ich glaube sie sind stabil genug und ich habe sie nicht verletzt.

Kröte

In diesen Tagen nehme ich auch an einer Kakao Zeremonie Teil. Ein Gruppe von Menschen sitzt zusammen, trinkt Kakao und geht in verschiedenen Übungen (Partner und Gruppe) mit fremden Menschen aus seiner Komfortzone und öffnet sich dadurch gegenüber anderen und sich selbst. Dem Kakao wird eine wärmende und öffnende Wirkung zugesprochen. Wie hat es mein Freund Florian so schön formuliert: „Früher habe ich mit Bier vorgeglüht, heute mache ich es mit Kakao!“ Ich rede hier übrigens nicht von diesem Nestlé Rotz, der in Europa und Nordamerika die Supermärkte flutet, welchem die guten Inhaltsstoffe bereits entzogen wurden und welcher mit raffiniertem Zucker der Rest gegeben wurde. Der Kakao wird auf der Insel angebaut und vor Ort verarbeitet. Mit meiner Freundin (Yogalehrerin und Veranstalterin der Kakao Zeremonie) Harmony und auch später in der Produktionsküche des Hostels habe ich alle Handgriffe vom Rösten, Schale entfernen, über Mahlen und dem Kochen selbst gemacht. Das war eine schöne Arbeit und danach schmeckt es doppelt so gut 😉

Kakaoherstellung mit Harmony
Der Topf mit Kakao

Tag 15:

Der Regen hat aufgehört und ich kann endlich mal meine Wäsche waschen. Leider durfte ich feststellen, dass mein großer Rucksack und meine Fototasche von der Natur zu einer Pilzzuchtstation umgewandelt wurden. Das nervt mich ungemein, aber was kann ich tun?! Das Zeug wird einfach durch die Luftfeuchtigkeit so feucht, dass man es gar nicht verhindern kann. Trotzdem eklig!!!

Wenn ich zurückdenke, wie ich vor ein paar Tagen noch unbedingt Sonne wollte, so bin ich jetzt schon fast wieder an dem Punkt, dass es mir einfach zu heiß ist und die Sonne einfach zu stark brennt. Es gibt fast keinen Schatten, dort wo ich arbeite. Es ist das Pendant zu den Unterstellmöglichkeiten bei Regen. Es wäre manchmal ganz nett, wenn es etwas bewölkt wäre, aber nicht gleich regnet wie verrückt. Das Wetter kann hier recht einfach innerhalb von 10 Minuten von wolkenfreiem Himmel und starkem Sonnenschein zu tief grau und Endzeitregenfall umschlagen. Man sollte immer mit dem Schlimmsten rechnen bzw. es zu akzeptieren lernen.

Manchmal laufe ich bei Nacht auf dem Pfad und erkenne ihn kaum wieder. Bedingt durch die Dauerbewässerung kann ein Pfad relativ schnell zuwachsen. Gerade bei starkem Regen, bei dem ich mich nur stur auf den Lichtkegel und den Pfad vor mir konzentriere, kann es mir passieren, dass ich zwischenzeitlich nicht mehr weiß, an welchem Punkt auf dem Grundstück ich mich befinde. Erst an der nächsten Kreuzung kann ich mich wieder orientiere


Tag 20:

Die Tage ziehen sich dahin. An manchen Tagen gehen wir nach der Arbeit in ein anderes Hostel, dass 15 Minuten Fußweg entfernt ist und verbringen dort den Nachmittag. Es gibt neben dem Zugang zum See super leckere Schoko Shakes, die mit frischen Zutaten gemacht werden. Wirklich unschlagbar 🙂

Manchmal schaue ich mir am Abend den Sonnenuntergang vom Aussichtsturm an, der gute 5 Meter hoch ist und eine freie Sicht auf den Vulkan bietet.

Sonnenuntergang
Ausblick vom Aussichtsturm

Mittlerweile hat sich das Wetter stabilisiert. Manchmal regnet es, manchmal nicht. Die paar Tage Dauerregen waren wirklich genug. Ich habe immer noch Problem mit der Feuchtigkeit und dem Geruch meiner Kleider. In dem Bereich in dem ich schlafe gibt es eine überdachte Plattform. Hier könnte ich meine Sachen zwar aufhängen, aber da das Dach so tief ist und die Kleider deutlich höher hängen, steht die Luft dort. Kein Luftzug geht hier durch. Diese Option fällt also flach. Außerdem schnappen sich die Hunde ganz gerne mal was von der Leine und danach muss ich es entweder nochmal Waschen oder das Zeug wird in Fetzen gerissen.

Da das Wetter so schnell umschlagen kann, muss ich an einem Wäschetag die ganze Zeit dabei bleiben, wenn ich sie in der Nähe meines Zimmers wasche. Nach einigen Malen habe ich die Schnauze davon auch voll. Es geht immer ein ganzer Nachmittag dabei drauf, dass ich alleine herumsitze und bete, dass es nicht zu zieht. Deshalb gehe ich irgendwann dazu über, nur relativ wenig zu waschen und dies immer im Aufenthaltsbereich des Restaurants (in dem wir die meiste Zeit verbringen) auf Stühlen, Tischen und Dächern zu trocknen. Ich hole quasi das Maximum aus jedem Sonnenstrahl heraus. Irgendwann fangen die anderen Volunteers natürlich damit an sich darüber lustig zu machen, wie ich mit deutscher Akribie und meinem eigenen Anteil an Perfektionismus die Kleidungstücke wende, entsprechend der Sonne ausrichte und gegebenenfalls mit Stühlen auf den Tischen zusätzliche (wichtige) Sonnenminuten heraushole. Nur wenn die Kleider nach Sonne riechen und warm sind, sind sie auch wirklich trocken. Fragt mich! Das habe ich hier gelernt und perfektioniert. Man hat mich sogar gefragt, ob ich nicht einen Workshop halten könnte 😛


Tag 25:

Auch wenn nicht alle Volunteers vier Wochen hier bleiben und sich die Zeit, in der manche Leute hier sind überschneiden, kann man doch nach einiger Zeit von einer kleinen Familie sprechen. Man sieht sich ja fast den ganzen Tag, verbringt mit manchem Menschen mehr Zeit als anderen und man teilt alles mit jedem. Bedingt durch verschiedene Aktivitäten wird die Gemeinschaft hier natürlich gefördert, aber im Allgemeinen kann ich schon feststellen, dass der Ort eine spezielle Magie hat. Ich spreche jetzt auch eher von der Insel selbst, als dem Hostel. Zwischenmenschliche Liebe scheint hier aus irgendeinem Grund stärker vorhanden zu sein.

Ein Teil der Familie

Mittlerweile habe ich mich mit den Damen der Rezeption und der Küche angefreundet. Die einheimischen Frauen hier machen es einem unter Umständen nicht unbedingt leicht sich zu etablieren, aber mit der Zeit und meiner charmant aufdringlichen Art in Kombination mit meinem schelmischen Grinsen und natürlich dem ganzen Quatsch, den ich den ganzen Tag mache, habe ich letztendlich aus jeder noch so grimmigen Köchin ein Lächeln gezaubert. Einen guten Stand in der Rezeption und der Küche zu haben verschafft mir natürlich auch gewisse Vorteile 😉 Aber davon abgesehen werde ich irgendwann ganz ungewollt die Schnittstelle zwischen Rezeption/Küche und den restlichen Volunteers. Dies hat zur Folge hat, dass ich an einer Tour meinen Namen höre, um hier zu übersetzen, diesen Handgriff zu machen, irgendwas den anderen Volunteers verklickern soll usw. Mir gefällt diese Position zwar, aber es kann auch anstrengend werden.


Tag 30:

Um meinen Horizont zu erweitern und etwas Abwechslung in meinen Alltag hier zu bringen, versuche ich mittlerweile auch einmal die Woche in der Produktionsküche zu arbeiten. Hier lerne ich wie all die guten Zutaten aus dem Garten zu den Produkten verarbeitet werden, die letztendlich in der Küche des Hostels verwendet und die auch separat zum Verkauf angeboten werden. Da das Hostel zu 100% mit Solarenergie läuft, wird nur der Mixer mit dem Strom betrieben. Alles andere muss von Hand gemacht werden. Die großen Feuerstellen werden nicht mit Gas betrieben und man muss hier richtig anpacken, wenn man hier etwas machen will. Wer einmal zwei Stunden Kaffee in einem riesigen Pott mit einem großen Holzlöffel geröstet hat oder eine halbe Stunde mit einem Stock auf einen Sack mit Salz eingeprügelt hat bis die Körner klein genug sind, weiß wovon ich rede 😀

Kaffee rösten
Kaffee rösten
Kaffee rösten
Kaffee rösten

Neben dem Rösten von Kaffee, mahle ich hier stundenlang Kaffee, Kakao, trockenes Brot, Kokosnuss und andere Dinge, die ich danach in anderen Prozessschritten weiter verarbeite. Manchmal pflücke ich auch einfach mehrere Stunden Basilikum, bis ich einen 20L Eimer voll bekomme (gestopft wohlgemerkt), der dann für das hausgemachte Pesto verwendet wird. Hier wird einem erst einmal bewusst, welche Mengen für so etwas benötigt werden. Im Endeffekt mache ich hier ganz viele leckere Sachen wie zum Beispiel Nutella, Granola, Pesto und Tee.


Tag 55:

Ich habe in meinen ungefähr 8 Wochen vor Ort wirklich sehr viel über Permakultur gelernt, aber auch über mich selbst. Die Arbeit, die ich hier mache ist wirklich sehr interessant. und meinen Horizont um einiges erweitert und auch deutlich mehr darüber Verstanden, warum die Monokultur, die überall so verbreitet ist, nicht die Lösung unserer Probleme ist und sein wird. Darüber hinaus habe ich mein Wissen zusätzlich mit zwei Büchern aus der hiesigen Bibliothek vertieft.

Weiterbildung
Weiterbildung

Ich war an dem kompletten Kreislauf beteiligt. Von der Saat, bis zum Umpflanzen in Setzlinge, dem eigentlichen Einpflanzen, das Anlegen von Beeten, das Mischen von mehreren Komponenten zum Erstellen der Erde für die Beete, schneiden von Bäumen und Sträuchern, um danach die Äste und Blätter als Mulch zu verwenden, etc. Das Pflücken des Salates für die Küche und das Kennenlernen der entsprechenden Pflanzen. Die Art und Weise, wie man diverse Pflanzen in Kombination miteinander anpflanzt, um ein optimales Ergebnis zu erhalten bis hin zur Erstellung natürlicher Dünge- und Pflanzenschutzmittel ohne Verwendung von Chemie. Alles rein pflanzlich.

Aufzucht
Setzlinge
Mein Arbeitsplatz
Pflanzen und Mulchen
Mulchen

Bei einigen Pflanzen konnte ich sogar den kompletten Zyklus von der Saat, dem Umsetzen in Setzlinge, dem Einpflanzen und dem Ernten miterleben. Auch wenn ich mich in Deutschland schon ein wenig für biologische Ernährung interessiert habe, hat diese Arbeit hier meinen Verstand über Lebensmittel, deren Anbau und Pflege noch einmal auf einen andere Stufe gebracht. Außerdem habe ich den Umgang mit der Machete geübt und selbstverständlich mein Lehrgeld bezahlt. Ich bin nur froh, dass diese Machete relativ stumpf war…

Machete

Über die Wochen habe ich nicht nur die Arbeit an sich gelernt, sondern auch Verantwortung übernommen und mich auch außerhalb der eigentlichen Arbeit eingebracht und mir dadurch eine gewisse Position und auch Vorteile erarbeitet.

Ich habe Menschen kennen und schätzen gelernt, die mir viel auf meinen Weg mitgegeben haben, Freundschaften geschlossen, die ich nicht mehr missen möchte und Gespräche/Momente gehabt, die mir einen anderen Blick auf Dinge gegeben haben und die mich wahrscheinlich langfristig geprägt haben. Hier habe ich außerdem mal wieder erlebt, wie wichtig es ist im ‚Hier und Jetzt‘ zu leben. Das habe ich gemacht und habe deshalb die Welt außerhalb meiner Welt weniger wahr genommen. Es hat mir sehr gut getan, mich mehr auf mich selbst zu konzentrieren. Ich könnte noch einiges mehr aufzählen, was ich hier gesehen und erlebt habe. Aber es ist mittlerweile auch schon etwas länger her und es fällt mir immer schwerer meine Erfahrungen in Worte zu fassen. Das Gefühl, wenn ich an die Zeit zurück denke ist jedenfalls großartig 🙂

Bilder zum Beitrag

Bilder von der Arbeit

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