79 Mathias und die Quetzaltrekkers Pt.1 – Über die Stabilität von Sitzbänke in einem Chicken Bus, feuchtem Kellergeruch und Temazcal mal anders

Am Abend um 19 Uhr treffen wir uns zur Vorbesprechung der Tour von Nebaj nach Todos Santos. Bert der Belgier, Gal der Israeli, Patrick der Schweizer und ich der Deutsche. Die Guides Madison und Bryan kommen beide aus den USA.

Jeder stellt sich kurz vor und beschreibt, was er vor sich liegen hat und dementsprechend während der Wanderung mit sich tragen wird. Es handelt sich um Essen. Ich habe zwei Packungen pürierte Bohnen, eine Dose mit Marmelade, eine Packung Tostadas (Runde große „Chips“), einen Erdnussmix, einen Löffel, eine Tasse und einen Teller vor mir. Mhh, das muss ich also auch noch mitschleppen.

Danach beschreiben die Guides die Route und alle anderen Informationen. Erster Tag ist eigentlich nur Reisetag, dann kommen vier Tage Wanderung mit den entsprechenden Übernachtungen und der letzte Tag ist auch nochmal ein Reisetag. Sie erklären uns, wo wir ein Bett haben und wo wir auf dem Boden schlafen, die Orte an denen es eine Dusche gibt, die Orte, an denen es keine Dusche gibt, über Verpflegung, wann wir an welchem Tag aufstehen, usw. Das klingt alles sehr durchdacht und gut vorbereitet, also kann es meiner Meinung nach los gehen.

Distanz und Höhenmetter

Nach dieser Besprechung geht es daran, die Ausrüstung auszusuchen. Jeder der möchte kann sich hier ausrüsten. Es gibt alles was man braucht und man könnte hier bis auf die Unterhosen ohne Kleidung auftauchen. Ich leihe mir einen Rucksack, Schlafsack, ISO-Matte, lange Socken, Handschuhe, eine Regenhose, Wanderstöcke und eine Stirnlampe aus. Natürlich alles gebraucht, von irgendwelchen Reisenden gespendet, aber man kriegt hier echt alles. Der Schlafsack ist zwar so groß, dass er den halben Rucksack ausfüllt, aber da muss man nehmen, was man kriegt. Für Wanderstöcke und Stirnlampe muss ich einen Pfand von 100Q zahlen, weil die anscheinend öfter mal verschwinden. Alles ziemlich einfach.

Nachdem das alles erledigt ist, gehen wir zurück, essen noch etwas zusammen für das „Teambuilding“ und dann ins Hostel, um unsere Sachen zu packen. Am kommenden Morgen müssen wir um 7 Uhr bei den Quetzaltrekkers zum Frühstück sein. Mein restlichen Sachen bleiben im Hostel, wir kehren nämlich nach den sechs Tagen zurück nach Xela und ich werde dann wieder hier übernachten.

Tag 1
Der Wecker geht um 5:40 Uhr. Ich hätte gerne etwas länger geschlafen, aber das wird sich in den kommenden Tagen nicht bessern. Patrick und ich sind alleine im 6 Bett Zimmer, also müssen wir keine Rücksicht auf irgendjemanden nehmen. Unsere Mitbewohnerin ist schon seit einer Stunde weg, sie macht eine andere Wanderung mit der gleichen Organisation, die eine Stunde früher beginnt. Aber sie hat ihre Jeans vergessen. Also nehmen wir die auch noch mit und hoffen, dass sie noch nicht unterwegs sind. Wir haben Glück und treffen sie noch an, bevor ihre Gruppe startet. Das ist gut für das Karma 😉

Unser Frühstück ist ein Berg von Bratkartoffeln, Rühreiern und ein wenig Obst. Das ist mehr als ich erwartet habe. Aber in Anbetracht dessen, dass wir erst um 15 Uhr wieder etwas zu essen bekommen doch ganz sinnvoll.

Danach laufen wir eine halbe Stunde zum Busbahnhof. Von dort aus nehmen wir einen Chicken Bus nach Santa Cruz del Quiché und von dort wiederum ein Shuttle nach Nebaj, unserem Ausgangspunkt der Wanderung.

Der Busbahnhof ist ein einziges Chaos. Super viele Menschen, super viele Chicken Busse, ein einziges Gewirr und Geschrei. Drei unserer Gruppe sitzen heute zum ersten Mal in einem Chicken Bus und das kann man ihnen auch ansehen. Eine Mischung aus Erstaunen, Überforderung und auch etwas Angst steht in ihren Gesichtern geschrieben. Ich kann es nachvollziehen.

Busbahnhof Xela

Busbahnhof Xela

Busbahnhof Xela – Ready to go

Patrick und ich sitzen ziemlich weit hinten zusammen auf einer Bank. Jedes Mal wenn wir über einen dieser Abbremshubbel fahren, schleudert es uns aus unseren Sitzen und wir heben ein paar Zentimeter ab. 3 Stunden! Das kann ja was werden. Nach der Hälfte der Fahrt, wir fahren gerade über einen Hubbel, macht es krach und wir sitzen 30 Zentimeter tiefer. Jepp, die Bank wäre dann durch. Der Assistent des Fahrers, der das Geld einsammelt und sich um das Gepäck kümmert kommt zu uns, schüttelt den Kopf, flucht irgendetwas zum Fahrer und sagt uns dann wir sollen uns auf eine andere Bank setzen. Dann versucht er vergeblich irgendetwas zu reparieren, er scheitert, dann steigt er wieder hinten aus, klettert bei voller Fahrt aufs Dach und macht das was er auch immer da oben so macht. Es dauert noch keine halbe Stunde, da macht es schon wieder krach und wir haben die zweite Bank durch. Eine gute Ausbeute würde ich sagen. Diesmal hat Patrick im gleichen Moment gefilmt…

In Santa Cruz angekommen finden wir am Busbahnhof ziemlich das gleiche Chaos vor, wie drei Stunden zuvor in Xela, nur etwas kleiner.

Quetzaltrekkers

Quetzaltrekkers

Quetzaltrekkers

Die restliche Strecke legen wir mit einem Shuttle zurück. Zwischenzeitlich haben wir hier 25 Leute drin und es ist einfach nur gemütlich. Wenigstens haben Patrick und ich keine Bank zerstört…

Gegen 15 Uhr kommen wir endlich und gerädert in Nebaj an. Wie uns zuvor die Guides informiert haben, tragen alle Frauen die aus der Stadt kommen einen speziellen roten Rock. Alle anderen kommen laut ihren Informationen nicht aus der Stadt.

Röcke in Nebaj

In der Unterkunft angekommen, werden erst mal die Sachen in die Ecke gefeuert. Das Hostel ist ziemlich lieblos und das Zimmer riecht nach feuchtem Keller, aber wir haben immerhin ein Bett. Gal hängt als erstes seine Sachen auf, weil die immer noch nass sind. In seinem letzten Hostel wurden die Sachen gewaschen, aufgehängt und bei einsetzendem Regen nicht rein geholt. Jetzt muss er eben mit nassen Sachen wandern, der Arme. Kurz nachdem er fertig ist mit aufhängen, fängt es auch prompt wieder an zu regnen…

Nach dem Mittagessen gehe ich alleine los einen Kaffee trinken, die anderen gehen auf den Markt. Der sonst so gute Kaffee aus Guatemala stellt sich als eine Wasserbrühe heraus. Das hätte ich mir sparen können. Danach mache ich noch einen Rundgang durch die kleine Stadt um festzustellen, dass es sich nicht wirklich lohnt.

Zurück in der Unterkunft treffe ich auf Patrick, der hat auch schon wieder die Schnauze voll. Wir beschließen nochmal loszuziehen und uns etwas zu essen zu organisieren. Wir sind beide noch hungrig nach dem mickrigen Essen. Nach zwei Stück Kuchen bin ich bedient. Die Bäckereien in Guatemala sind wirklich sehr gut. Auf dem Rückweg kommt Patrick dann auf eine „dumme Idee“. Wir landen mal wieder in einer Bar und bügeln uns vor dem Abendessen noch drei Bier rein. Wer weiß, wann wir das nächste bekommen 😉

Cheers

Als wir zurückkommen, sitzt eine neue Person mit am Tisch. Noga. Sie kommt auch aus Israel, ist irgendwie mit Gal ins Gespräch gekommen und der hat sie jetzt mitgeschleppt. Sie hatte zuvor schon mal eine Tour mit den Quetzaltrekkers gemacht und schließt sich uns an. Nach dem Abendessen sitzen wir noch ein bisschen zusammen, unterhalten uns, Gal und ich spielen Gitarre und dann geht es für mich nach einer Dusche ins Bett. Morgen geht es los!

Die Gruppe an sich ist mir noch nicht so ganz geheuer. Im Prinzip scheinen alle nett zu sein, aber bisher bin ich mit den Leuten, abgesehen von Patrick noch nicht so ganz warm geworden. Aber das wird sich bestimmt noch ändern.

Tag 2
Nach der ersten Nacht in diesem feuchten Hostel versammeln wir uns am Morgen um 7 Uhr zum Frühstück. Auch Noga unsere neue Begleitung ist bereits da. Bryan der Guide hat heute Geburtstag und deshalb gibt es zum Nachtisch noch einen Kuchen 🙂 Sobald der vertilgt ist, geht es los. Ran an die Stöcke.

Als wir das Dorf verlassen und zur ersten Steigung kommen, hält die Gruppe nochmal an und wir bekommen ein paar Verhaltensregeln erklärt. Es geht darum, dass man den Leuten von oben Vortritt lassen soll, weil die meist schwerere Dinge bei sich tragen und dass man nicht einfach wild die Menschen mit der Kamera belästigen soll, weil die sich dadurch gestört fühlen. Ich ärgere mich im Stille etwas darüber. Ist das wirklich notwendig zu erklären? Haben die Leute echt so wenig Grips in der Birne, um ein bisschen Rücksicht zu nehmen und etwas Einfühlungsvermögen an den Tag zu bringen? Vielleicht bin ich auch schon zu lange unterwegs und messe mit dem falschen Maß.

Erster Anstieg

Zu Beginn der Strecke ist die Landschaft noch weitestgehend unspektakulär. Wir schrauben uns den Berg hoch und auf der anderen Seite nicht mehr ganz so weit runter. Als wir das erste Mal Rast machen, bekommen wir erklärt, dass wir auch immer mal wieder eine kleine Geschichtsstunde bekommen. Ein Großteil des Bürgerkriegs von 1970 – 1996 hat sich nämlich in dieser Gegend abgespielt. Besser gesagt, hier wurde am meisten gewütet. Natürlich auf dem Rücken der armen indigenen Bevölkerung. Und selbstverständlich sind die Amis involviert. Wer hätte es gedacht…

Pause

Auch darüber hinaus ist es wirklich schön, wie gut die Guides die kommenden Ereignisse mit uns abstimmen. Man fühlt sich als Teil des Plans und nicht als Mitläufer. Vorsicht Wortspiel 😉 Im Grunde genommen braucht man das zwar nicht, bei der Besteigung des Acatenango gab es fast gar keine Erläuterungen, aber so ist es eben schöner.

Nach ein paar Dörfern kommen wir auf der anderen Seite des Berges an und ich muss erst mal mit Tape ein paar Zehen einwickeln, sonst gibt das nämlich Blasen. Ansonsten soweit alles topp. Abgesehen davon, dass der Rucksack auf Dauer ganz schön schwer ist.

Das nächste Ziel, vor allem für mich, ist die Milchfarm. Hier können wir Käse kaufen. Da bin ich irgendwie gespannt drauf. Dort angekommen muss man feststellen, dass es hier aussieht wie in der Schweiz. Das muss sogar Patrick eingestehen.

Schweiz

Käsehof

Käsehof

Nach einer kleinen Pause und dem Erwerb des Milchproduktes spielen die anderen ein bisschen Basketball und ich werde von den Hunden genötigt sie zu streicheln.

Der Rest der Strecke geht über eine weniger ansehnliche Schotterstraße bis wir das am Hang gelegene Dorf Xexecom erreichen. So langsam merkt man, dass wir hier jwd sind.

Xexecom

Xexecom

Für diese Nacht wurde angekündigt, dass wir keinen Strom haben. Wir übernachten anscheinend in einem alten Schulgebäude. Ein etwas größerer Raum, bis auf einen Tisch und ein paar Bänke ist er leer. Es gibt noch zwei Nebenräume. Einer davon ist offen und beherbergt dicke Wolldecken für uns. Außerdem ist in dem Raum eine Liege, eine Waage und ein paar verpackte Spritzen. Das scheint das Arztzimmer gewesen zu sein. Die Toiletten sind außerhalb und halbwegs sauber. Ich bereite mein ISO-Matte, den Schlafsack und zwei Decken vor und warte dann, bis ich an der Reihe bin mit dem Temazcal. Eigentlich dachte ich ja, dass ich weiß, was das ist. Ich habe es schließlich damals in San José del Pacifíco gemacht. Hier ist es aber definitiv anders.

Wir gehen in Zweiergruppen, also sind Patrick und ich wieder am Start. Das Temazcal wird von einer Familie im Dorf angeboten, bei der wir auch das Abendessen zu uns nehmen. In einem überdachten Bereich in einem „Hinterhof“ steht eine kleine Lehmhütte. Darin ist tatsächlich nur Platz für zwei Personen. Es gibt eine Feuerstelle, auf der ein großer Wassereimer erhitzt wird. Auf der gegenüberliegenden Seite steht ein Eimer mit eiskaltem Wasser. In der Mitte ein Bottich um das Ganze zu mixen. Wenn die Tür geschlossen ist, ist es stockdunkel in der Hütte. Aber die Familie bringt uns eine Kerze. Also wird abwechselnd gearbeitet. Der eine hält die Kerze, der andere mixt das Wasser und kippt es über sich. Es ist ein ziemlicher Krampf, bis man endlich halbwegs sauber ist. Aber man vertreibt die Kälte aus den Knochen und fühlt sich danach richtig entspannt nach so einem Tag.

Als jeder seinen Krampf beendet hat, gehen wir gemeinsam zu der Familie und essen dort. Das Essen und die Portionen sind gut, aber es ist schon etwas irritierend, dass wir in diesem halbdunklen Raum von allen angestarrt werden beim Essen.

Da wir um 3:30 Uhr wieder aufstehen, gehen wir früh ins Bett. In der Nacht schüttet es stundenlang. Ich habe schon lange keinen so intensiven Regen gehört. Das macht nicht viel Hoffnung auf den Morgen. Bei dem Regen möchte ich keinen Schritt gehen. Mal ganz abgesehen von dem ganzen Schlamm.

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