105 Arbeiten bzw. Improvisieren in Providencia

Kurze Information vorab: Ich erzähle in diesem Beitrag, was ich in Providencia gearbeitet und gelernt habe. Wer schöne Bilder sehen will oder lustige Abenteuer, der kann sich diesen Bericht eventuell sparen. Wer Bock hat zu sehen, was ich 4 Wochen so alles gewerkelt habe, der ist hier richtig 🙂

Das Projekt:

In einem alten, kleinen Schulgebäude das Sierra gehört, soll für Rucksackreisende, Boulderer, Kletterer und Abenteurer im Allgemeinen eine Art Hostel/Campingplatz/Community Zentrum entstehen. Es geht hier nicht um Gewinn (natürlich muss sie zumindest die Unkosten decken), sondern eher um einen Schlafplatz für Freunde, Freunde von Freunden, Bekannte und Gleichgesinnte.

Im Außenbereich sollen 2 Duschen, 2 Komposttoiletten, ein Waschbecken und ein Platz für eine Waschmaschine errichtet werden.

Wir müssen zunächst einmal freie Bahn für das schaffen, was wir vor haben.

Grundreinigung

Dazu muss unter anderem die Wasserleitung gekappt und neu gemacht werden. Dann wird eine Verschalung erstellt und ein Haufen Steine gesammelt, die wir zum einen dazu verwenden den neuen Boden in Verbindung mit Mörtel zu stabilisieren und zum anderen, um generell Mörtel zu sparen.

Die Verschalung
Die Verschalung
Aufgefüllt mit Steinen und Sand

Für die Steine müssen wir sogar mit dem Auto durch die Gegend fahren und sie eimerweise zurück karren.

Mich überzeugt die Vorgehensweise mit dem auffüllen von Steinen nicht ganz, da viele Lücke entstehen, wo der Mörtel/Zement nicht hinkommen. Aber die Ressourcen sind knapp und jede Tour in die Stadt würde einen Tag Zeitverlust bedeuten. Wir arbeiten Tico Style. Tico nennen sich im Übrigen die Costa Ricaner selbst.

Bevor der Boden komplett zugedeckt wird, müssen wir natürlich noch die Abflussrohre für die Duschen einfügen. Das sieht man ja schon in den Bildern darüber.

Da wir sehr schnell die ganzen Zementmischungen und den Mörtel aufgebraucht haben, bleibt nur noch der reine Zement übrig. Um damit arbeiten zu können, brauchen wir aber sowohl Sand als auch Schotter, welche wir beide nicht zur Verfügung haben. Also müssen wir improvisieren und das Zeug irgendwie beschaffen. Mit Eimern und Schaufeln bewaffnet fahren wir im Tal die Strecke am Fluss entlang, bis wir nach einigen Kilometern an der Brücke eine Stelle finden, an der wir eine Art Sand-/Kiesmischung finden, die für unsere Zwecke zu reichen scheint. Eigentlich ist das zwar nicht erlaubt, wie man sich denken kann, aber so macht man es eben. Es muss aber tatsächlich schon Fälle gegeben haben, bei denen die Polizei die Leute dazu gezwungen hat, das Zeug wieder zurück zu machen…

Nach einigen Ausflügen für noch mehr Steine und Sand ist der Boden dann irgendwann fertig.

fertiger Boden
fertiger Boden

Wir schreiben mittlerweile Tag 5 meines Aufenthaltes. Dadurch, dass wir einige Materialien nicht haben und umständlich besorgen müssen, haben wir schon einiges an Zeit verloren.

Heute beginnen Peter und ich mit den Mauersteinen. Doch zuvor setzen wir die Richtschnur, an der wir uns beim Mauern orientieren.

Richtschnur

Wenn ich hier nach kurzer Zeit eines sicher weiß, dann das die Familie hier nicht wirklich plant und mit Organisation relativ wenig am Hut hat. Das macht mich als „Deutschen“ durchaus etwas nervös 🙂 Weder hatten wir von Anfang an genügend Material, noch weiß Sierra (die Tochter und „Bauherrin“) genau, wie die Duschen eigentlich aufgebaut sein sollen. Also wird wild diskutiert und improvisiert, bis der Plan steht und wir beginnen könne.

Ein Anfang ist gemacht

Um mehr Sicherheit und Stabilität vor Erdbeben zu gewährleisten, bette ich zusätzlich in jede zweite Reihe eine Eisenstange in die Mauer. Die Steine haben zwar theoretisch schon eine Kerbung dafür, aber oft ist diese nicht wirklich vorhanden. Also muss die Mauer vorab mit dem Winkelschleifer bearbeitet werden.

An einigen Tagen werden unsere Baumaßnahmen von anderweitigen Projekten unterbrochen. Eine Freundin von Eric und Ying hatte einen Erdrutsch und nun muss der Hang befestigt werden. Wir treten morgens an und schaufeln mit zwei anderen Männern was das Zeug hält, um Reifen mit Schotter zu füllen. Am Nachmittag sind wir zwar nicht fertig, aber es sind keine Reifen mehr da.

Anti Erdrutsch Wand

Einer der Männer zeigt mir danach wie man mit einer Machete den Rasen mäht. Nach ein paar Versuchen habe ich den Dreh raus. Das ist fast einfacher, als ich zunächst dachte. Trotzdem kann das schnell ins Auge gehen…

Machete

Obwohl die Mauer der Duschen noch nicht fertig ist, fangen wir mit dem Boden an. Peter will lernen, wie man Fliesen legt und ich habe auch nichts gegen ein wenig Abwechslung einzuwenden. Mit einer speziellen Sand/Zementmischung die formbar, aber dennoch nicht flüssig ist, füllen wir den Bereich aus und passen dann das Gefälle für den Abfluss an. Meine Güte, das ist vielleicht eine filigrane Arbeit. Meine Sand/Zementmischung hatte zu wenig Zement, also kann ich es nochmal machen. Welch Freude! Außerdem ist mein Gefälle für die großen Fliesen zu steil. Aber man lernt nie aus…

Sand/Zementmischung

Als es am nächsten Tag trocken ist, fange ich an zu Fliesen. Ich finde es wirklich total schwierig diese großen Fliesen so auszurichten, dass das Gefälle zum Abfluss ausgerichtet ist und gleichzeitig die Fliesen an den Kanten die gleiche Höhe wie die Nachbarfliese haben. Mein Ergebnis kann sich sehen lassen, auch wenn es nicht perfekt ist. Aber für das erste Mal ist es sehr gut geworden.

geflieste Duschkabine

Im Nachhinein ist mir auch bewusst geworden, dass ich besser erst mal ein paar gerade Flächen gefliest haben sollte, bevor ich anfange einen Boden zu fliesen, der ein Gefälle zu einem bestimmten Punkt haben muss. Wieder was gelernt. Den Rest des Fliesenklebers verbrauche ich im Flur. Das geht doch schon deutlich einfacher…

Parallel zum Boden der Duschen fängt Eric an, das Eisengestell für die Toiletten zu schweißen. Ich bekomme eine kleine Einführung und darf mich dann an einem separaten Eisenstück versuchen. Schweißen ist echt schwieriger als ich dachte, aber ich habe mir zuvor auch niemals Gedanken darüber gemacht. Als ich es nach 20 Minuten geschafft hatte, nicht die ganze Zeit am Metall hängen zu bleiben, durfte ich sogar eine Verbindung für das Gestell schweißen. Es ist zwar alles andere als schön, aber wir bauen ja hier auch keine Flugzeuge 😉

Mein Schweißwerk

Als ich ihm eine Stange beim Schweißen halte, tropft mir das flüssige Eisen auf den Daumen und brennt sich durch die Handschuhe in meine Haut. Autsch!

Die Schweißwunde

Nachdem das Gestell fertig ist, wird es positioniert und fixiert. Dann bereiten wir noch die Fässer für die Toiletten vor. Wir schneiden sie auf, stecken sie zusammen und verschrauben sie wieder. Die Fässer sind gebraucht und riechen nach einer Mischung aus Tierhandlung und totem Tier. Mir kommt es in den nächsten Tagen beinahe hoch von diesem Geruch.

Das Gestell
Das Gestell
Die Fässer

Es ist mittlerweile der 13. Tag. Eric und Peter haben Providencia verlassen und ich arbeite nur noch mit Sierra, die sich jetzt mehr im Außenbereich betätigen kann. Mein Ziel ist es zumindest noch die Mauer fertig zu machen.

Obwohl ich sogar neue Handschuhe habe, frisst der Mörtel mir die Haut weg. Ich klebe alles mit Pflaster ab, aber irgendwo entsteht doch wieder eine neues Loch in meiner Haut. Es dauert ein paar Tage, bis ich auf ganz dicke Gummihandschuhe umsteige und die Qual ein Ende hat. Ich habe zwar deutlich weniger Gefühl in meinen Händen, aber ich habe wieder Hände…

Das Werk falscher Handschuhe
Die Notfalllösung

Und so arbeite ich an meiner Mauer weiter und Sierra arbeitet hier und da an anderen Sachen rund um das und im Haus.

Mauern
Mauern

Am Abend trennen wir die Räume mit Rigips Platten ab. Messen, schneiden, fügen nach Bedarf Aluminiumschienen ein, halten die Platten an, schneiden nach Bedarf nach und schrauben sie letztendlich fest. Easy! Eine angenehme Abwechslung zum Mauern.

Wände einfügen
Wände einfügen

Um die Mauer endgültig zu stabilisieren, fülle ich jede Ecke und ungefähr jedes 4. Loch mit Sand, Abfall- und Mörtelresten und einer Eisenstange bis fast ganz oben auf. Den letzten Rest schließe ich mit Zement ab, dass es sauber aussieht. Die Mauer ist am Tag 22 fertig!

Fertig

In den letzten Tagen, während ich an der Mauer arbeite, kommt Allen, der Nachbar der Eltern und arbeitet an dem Metallgestell und den Toiletten weiter. Er schweißt mehr Metall daran, verlängert das Dach, fügt Rigips Platten ein und verwendet Wellblech für die Außenwand.

Erweiterung des Gestells
Einfügen der Wände und des Daches
Die zwei Kabinen

Dabei braucht er oft eine helfende Hand und ich kann einiges lernen. Im Gegenzug ermutigt er mich die Armaturen für die Duschen anzubringen. Als bekomme ich das auch noch erledigt und bin stolz wie kein Zweiter 😉

Vorbereitung der Armaturen
Vorbereitung der Armaturen
Auffüllen
Fertig

Das war im Großen und Ganzen das, was ich in ungefähr 4 Wochen gemacht habe. Nebenher habe ich aber außerdem, ein 4 Meter hohe Wand gestrichen, mir eine Spanplatte zurecht gesägt, damit der quasi nicht mehr existierende Lattenrost nicht unter meinem Gewicht zusammen bricht, Wasserleitungen geschnitten und verklebt, Löcher mit Bauschaum ausgesprüht, damit mir die Motten nicht zu krass ins Zimmer fliegen und die Fledermaus mir nicht mehr ins Zimmer kacken kann und habe einen elektrischen Duschkopf repariert. In Lateinamerika gibt es meistens nur einen Duschkopf, der das Wasser im Duschkopf selbst erhitzt. Funktioniert äußerst unzuverlässig und obwohl es das Model in fast jedem Haus gibt, ist es immer unterschiedlich warm. Ich kann ihn jetzt auseinander- und wieder zusammenbauen und danach ist es nicht mehr eiskalt 😉

Der Duschkopf

Alles andere muss nächste Saison erledigt werden. Sierra wird Providencia einen Tag nach mir verlassen und hat noch einiges vorzubereiten. Ich habe 25 Tage alles gegeben und so viel gelernt, wie manche in 3 Jahren Ausbildung nicht gelernt haben. Vielleicht ist nicht alles nach DIN, aber es hält 😉

Letztlich habe ich nicht nur gelernt, sondern auch gewonnen. Und zwar Erfahrung und tolle Freunde!

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