84 Antigua Pt. 2 – Volunteer in Eco Farms Guatamala

Noch von San Marcos aus habe ich mir eine Volunteerstelle bei Eco Farms Guatemala besorgt. Ein Zwillingsbruderpaar hat einiges an Land etwas außerhalb von Antigua vererbt bekommen und versucht hier im weitesten Sinne eine autarkes Ökosystem aufzubauen, Menschen aus der Bevölkerung in diversen Themen zu schulen und zu animieren (Recycling, Dinge selbst herstellen anstatt sie im Supermarkt zu kaufen, usw.), Events für Kinder zu veranstalten und auch die Kultur der Mayas wieder mehr in den Vordergrund zu bringen. Über die Farm komme ich vergünstigt an ein Zimmer bei einer lokalen Familie, direkt gegenüber des Geländes und habe drei Mahlzeiten am Tag inklusive. Eigentlich stellt man sich ja Volunteering als eine freiwillige Arbeit vor, bei der man zwar kein Geld verdient, aber zumindest Logie und manchmal auch Verköstigung bekommt. Nun ja, hier in Guatemala läuft es irgendwie anders. Ich habe im Gegensatz zu Mexiko zwar ständig etwas von Volunteering hier, Volunteering da gelesen, was ja heißt, dass ein großes Angebot besteht. Aber alles, was ich genauer unter die Lupe genommen habe, war im Endeffekt mit Mehrkosten verbunden. Ich will nicht sagen, dass es nicht existiert, nur dass es grundsätzlich anders ist als erwartet. Auf der anderen Seite, wenn man so etwas von Deutschland aus organisiert, zahlt man sich wirklich dumm und dämlich. In einem Hostel würde ich sicherlich einen Platz bekommen, der Kost und Logie beinhaltet, aber ich habe es jetzt schon ein paar mal erwähnt. Ich sehe keine höheren Mehrwert dahinter abgesehen davon Kosten einzusparen. Da ich aber etwas lernen will und vor allem etwas mit meinen Händen arbeiten will, muss ich das eben anders angehen.

Aber immerhin bin ich bei einer Familie untergebracht und spreche sowohl dort, als auch in der Farm Spanisch. Dann bekomme ich einiges über die Mayakultur und vor allem deren Anbautechniken mit und weiterhin kann ich mich bei allen Workshops/Kursen/Präsentationen kostenlos weiterbilden, die über die Zeit meines Aufenthaltes angeboten werden.

Am Tag meiner Ankunft, weiß ich immer noch nicht, was mich dort erwarten wird, geschweige denn, was ich dort genau machen werde. Ich habe vorab lediglich gesagt, dass ich gerne handwerklich arbeiten würde.

Also werde ich erst einmal bei der Familie vorgestellt, darf meine Sachen abstellen und wir machen dann einen Rundgang über das Gelände und ich bekomme alles gezeigt und es werden währenddessen schon ein paar Möglichkeiten aufgezeigt, was ich alles machen kann.

Eco Farms

Eco Farms

Emilio einer der Brüder ist ziemlich ambitioniert und hat viele Ideen. Dementsprechend fallen die Möglichkeiten ziemlich breitgefächert aus. Von Pilzanbau über Gärtnern und Landschaftsbau zur Konstruktion einfacher Möbel und simplen Dachkonstruktionen für diverse Zwecke habe ich die freie Auswahl. Am liebsten würde ich alles machen. Gleichzeitig und an einem Tag 😀 Ich fühle mich wie ein Kleinkind im Spielzeugladen. Es ist schwer sich zu entscheiden und es sieht auch so aus, als könnte ich je nach Umständen ein bisschen von allem machen. Aber am liebsten würde ich etwas mit Holz arbeiten, also entscheide ich mich zunächst mal dafür ein paar einfache Möbel, Sitzgelegenheiten oder was auch immer zu machen.

Am nächsten Tag steht aber erst mal das Projekt einer Mayaspirale in einem benachbarten Grundstück an. Er hätte mich da gerne dabei und es klingt wirklich interessant.

Wie das in Lateinamerika nun mal so üblich ist, sitze ich am nächsten Tag erst mal dumm rum und warte bis es los geht. Aber glücklicherweise gibt es hier auf dem Gelände drei Junghunde, die von der Straße aufgegabelt wurden und hier auf Vordermann gebracht werden. Mit ihnen vertreibe ich mir die Zeit. Auch wenn ich jetzt schon weiß, dass mir die kleinen Racker in zwei Wochen fehlen werden.

Eco Farms

Irgendwann geht es dann los. Wir fahren zu einem anderen Grundstück der Familie und messen alles aus und machen den Mittelpunkt ausfindig. Vorsicht, jetzt wird es ein paar Sätze etwas kompliziert. Um diesen machen wir ein Quadrat aus Stöcken mit einem Zehntel der Seitenlänge der Gesamtfläche.

Maya Spirale

An einen Stock in der Mitte der Seitenfläche wird eine Schnur gebunden und wir fangen an den Kreis gegen den Uhrzeigersinn zu ziehen.

Maya Spirale

Nach 90° verwenden wir einen Stock an der Ecke, der unseren neuen Fixpunkt darstellt und ziehen wieder einen Viertelkreis. Usw.

Maya Spirale

Maya Spirale

Maya Spirale

Wer mit dem Begriff Fibonacci-Folge etwas anfangen kann, weiß jetzt wahrscheinlich, wie das endet. Für alle anderen… Pech 😀 Nein, ihr könnt ja die Bilder sehen 😉
Danach werden die Linien mit Kalk markiert, das Bewässerungssystem gegraben und letztlich entlang der Kalkspur ausgegraben.

Maya Spirale mit Kalkspur

Maya Spirale Bewässerungssystem

Maya Spirale nach dem Ausgraben

Und so sieht das dann am Ende aus. Dies ist eine kleinere Spirale, die es auf der Farm bereits gibt.

Maya Spirale

Es ist wirklich sehr interessant, was die Mayas damals alles schon wussten und für ihre Zwecke eingesetzt haben. Was mich aber viel mehr fasziniert ist, dass man davon (in diesem Falle die Mathematik) überhaupt keine Ahnung haben muss, wenn man einfach nur einem simplen Muster folgt. Wir haben nämlich die Spirale erst gemacht und danach habe ich die ganzen Informationen in einem Vortrag erhalten.

Die Mayas waren/sind der festen Überzeugung, dass alles in einem Energiefluss ist. Von den Pflanzen die spiralförmig nach oben wachsen bis hin zum Universum, das eine Spirale ist, ist alles im Fluss und in der Form einer Spirale. Deshalb ist die Ansicht der Mayas, dass man mehr Energiefluss und dementsprechend auch einen besseren Ertrag hat, wenn der Acker in einer Spirale angelegt wird.

Nachdem wir das fertig gemacht haben, war ich mit dieser Baustelle fertig. Beim Einpflanzen bzw. Säen war ich nicht mehr dabei.

 

Mein nächstes Projekt sollten eigentlich ein paar Sitzgelegenheiten bzw. Sessel aus Holzpaletten werden. Kurzerhand wurde dann aber umgeschwenkt auf einen Fahrradständer. Gut, hab ich jetzt zwar weniger Lust drauf, aber bekomme ich hin.

Mein erstes Problem, mit dem ich heute konfrontiert bin: Ich habe fast kein Werkzeug. Ich habe einen mittelgroßen Hammer, eine Zange und ein Metermaß 😀

Mein Werkzeug

Das hatte ich mir etwas anders vorgestellt. Um jetzt zwei Paletten irgendwie als einen Fahrradständer zusammenzubauen, muss ich erst einmal losziehen, einen Schraubenzieher, Schrauben, Scharniere und eine Säge kaufen. Ferreterias (Eisenwarenhandel) sind immer wieder lustig. Diese kleine Theke, die man heute in Deutschland am ehesten bei einem Schuhmacher/Schlüsseldienst noch finden kann. Natürlich mit recht beschränkter Auswahl. Einfach Weltklasse! Dann kann ich endlich anfangen. Nach ein paar Palettenmodifizierungen, dem Sägen von Löchern für das Rad, dem Befestigen und Abbrechen der Scharniere (Holz ist nicht gleich Holz), dem Schleifen und Streichen des Holzes sieht die Konstruktion im Endeffekt so aus.

Eco Farms

Eco Farms

Nicht überragend, aber es erfüllt seinen Zweck und ich habe an diesem Prototypen schon einiges über diese Paletten gelernt und würde daher beim nächsten Mal anders vorgehen.

Im Übrigen: Wenn ich hier von Paletten spreche, spreche ich nicht von genormten Europaletten. Es gibt zwar hier grundsätzlich zwei verschiedene Größen, die ich zur Verfügung habe, aber diese variieren deutlich in den einzelnen Paletten. Einige sind so notdürftig gezimmert, dass ich sie kaum verwenden kann bzw. Nägel sind so schief eingeschlagen, dass sie seitlich herausragen, andere haben schon gebrochene Latten, die Abstände der Bretter ist unterschiedlich, auch deren Breite usw. Aber vor allem ist das Holz von einem unterschiedlichen Typ. Das macht es etwas langwieriger und mühseliger und ich muss mehr improvisieren. Aber dafür bin ich jetzt voll im McGyver Modus.

Zwischenzeitlich „helfen“ mir natürlich immer wieder die Hunde bei meiner Arbeit. Eine willkommene Abwechslung 😉

Racoon

Bei meinem ersten Rundgang in der Farm war ich total begeistert von dem Haus für die Pilzzucht. Mit ziemlich einfachen Mitteln haben sie versucht den Raum so gut es geht zu isolieren und vor Fremdkeimen zu schützen. Zum Betreten muss man zuerst durch eine „Schleuse“. Der fensterlose Raum ist komplett mit Plastikplane ausgekleidet. Es wird versucht eine konstante Temperatur zu erhalten. Da es hier aber recht geringe Temperaturschwankungen gibt, ist das relativ einfach. Der Raum schwebt in einem Dunst, es herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit. Eine selbstgebaute Klima-/Luftbefeuchtungsanlage kümmert sich darum. Auf Plastikpaletten (diese sind wohl genormt 😉 ) stehen ganz viele große Eimer. Darin werden die Pilze gezüchtet. Es kann auch nur in Plastikbeuteln gezüchtet werden. Dabei hat man aber weniger Gewinn.

Pilzhaus

Man kann an einem Eimer/einer Zucht ungefähr 4 Monate ernten und sie bauen hier 4-5 verschiedene Pilzsorten an. Wenn man sich nun überlegt, wie viele Eimer man hier platzieren kann und wie viele man auch übereinander stapeln kann, kommt schon einiges zusammen, was man hier langfristig an Ertrag rausholen kann.

Machi, el Mágico (der Magische) ist für die Pilze verantwortlich. Ein ziemlich lustig abgespacter Typ, der ständig am Kichern ist. In unserem ersten Gespräch erzählt er mir, dass er mit dem Anbau von halluzinogenen Pilzen angefangen hat. Ja, das wundert mich wirklich gar nicht 😀

An einem Samstag Vormittag gibt er einen kleinen Workshop, bei dem er sein ganzes Wissen über Pilze über uns ausschüttet. Über ihre Struktur, wie sie wachsen, welche Vorteile sie haben, über medizinische und halluzinogene Wirkungen bis hin zum praktischen Teil, nämlich dem Erstellen eines Beutels für die Zucht. Ein super interessantes Thema.

Erstellung einer Mischung im Beutel

Am Montag darauf helfe ich ihm ein bisschen beim überprüfen auf kontaminierte Eimer und wechseln der luftdurchlässigen Tapes über den Luftlöchern, aus dem der Pilz einmal wachsen soll.

Der Pilzmann

Aber meine Hauptaufgabe während meiner Zeit bei der Eco Farm sind letztendlich zwei… ähm nennen wir es Sonnenliegen.

Ein Vormittag besteht eigentlich nur darin, dass ich die Paletten durchwühle und schaue, welche halbwegs brauchbar sind. Von ungefähr 30 Paletten bleiben im Endeffekt 6 übrig, die ich benutzen kann.

Meine Auswahl

Danach heißt es erst einmal das ganze Holz abzuschleifen, weil ich die Dinger sonst nicht mit einem guten Gewissen irgendwo hinstellen kann, wo Kinder rumspringen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich derjenige wäre, der dauernd die Splitter in den Händen hätte. Und da ich das von Hand machen muss und das Holz selbst bei den ausgewählten Paletten teilweise in schlechtem Zustand ist, dauert das eben relativ lange.

Ein weiterer Faktor, der meine Arbeit etwas in die Länge zieht ist die Tatsache, dass ich zu Beginn immer auf Emilio warten musste, um die nötigen Materialien einzukaufen. Ohne Geld geht das nun mal nicht. Aber irgendwann hatte ich einen kleinen Vorrat und konnte einfach losziehen und kaufen, was ich gebraucht habe. Dann ging das auch schneller.

Prototyp

Nachdem ich meine ersten Prototypen gebaut hatte, war das zweite Modell dann auch recht schnell fertig. In Anbetracht der Umstände (Werkzeuge, Qualität und Norm der Holzpaletten) kann sich das Ergebnis sehen lassen.

Zweite Sonnenliege

Zweite Sonnenliege

Ich glaube, wenn man das ganze jetzt noch imprägnieren oder streichen würde, würde es ganz schön was her machen. Das überlasse ich aber den anderen. Meine Arbeit ist hiermit getan. Ich bin übrigens pünktlich an meinem letzten Tag dort fertig geworden, so wie ich es mir ausgemalt hatte. Deutsche Pünktlichkeit 😉

Was ich wirklich nicht unerwähnt lassen sollte war der Aufenthalt bei meiner Gastfamilie. Alle sind wirklich sehr nett hier. Rolando oder auch Don Rolando, wie die Haushälterin Elba immer sagt, ist der Herr des Hauses und unterhält mich immer bei den Mahlzeiten. Seine Frau Anabella ist eine sehr herzliche Frau und auch sehr gesprächig. Da sie außerdem Spanischlehrerin ist, genieße ich gewisse Vorzüge.

La Familia

Das paar hat 3 Söhne, wobei einer noch Zuhause wohnt. Alle haben schon mindestens 2 Kinder und an manchen Tagen ist hier echt die Hölle los kann ich euch sagen 😀

Generell ist das Haus und mein Zimmer sehr sauber und Anabella ist eine sehr gute Köchin. Irgendwie fühle ich mich manchmal ein bisschen in das Haus meiner Eltern zurück versetzt. Alle zwei Minuten werde ich daran erinnert was alles auf dem Tisch steht, dass ich essen soll und das noch genug da ist (O-Ton meiner Mutter: „Drauß is noch!“).

Außerdem haben sie noch diesen irren verzogenen Dackel, den Rolando wie ein Kind behandelt und der den ganzen Tag und vor allem am Abend die Decke anbellt, weil irgendwelche Tiere auf dem Dach herumrennen. Wenn er manchmal nach Aufmerksamkeit hechelnd anfängt mit mir zu Spielen dreht er so durch, dass er wie eine Flipperkugel von einem Couchteil zum anderen springt und dann irgendwann, übermütig wie er ist, gegen irgendwas kracht. Lola, dieser bekloppte Hund.

Lola

Aber das Leben geht weiter und wieder geht ein Kapitel zu Ende in dem ich mich von wundervollen und herzlichen Menschen verabschieden muss. Jeder hat mir wieder etwas mit auf den Weg gegeben und hat mich ein Stück geprägt und begleitet.

Die nächste Station führt mich nach Semuc Champey. Dies sind türkisfarbene Wasserbecken in einem Naturreservat in denen man schwimmen und planschen kann. Zum einen klingt es interessant und die Bilder sehen schön aus und zum anderen muss ich Guatemala verlassen und als nächstes Land habe ich Belize auf meiner Liste. Semuc Champey liegt da mehr oder weniger auf dem Weg. Also los…

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