77 Von Guatemala City nach Xela oder 45° im Chicken Bus

Einmal mehr heißt es Abschied nehmen. Fast 3 Wochen haben Paola und ich Chiapas und einen Teil Guatemalas zusammen bereist. Gestern am späten Nachmittag sind wir in Guatemala City angekommen, sind ins Zentrum gefahren, haben, auf Anraten unserer Hausherrin, einen Cocktail in einer schicken Rooftopbar getrunken und uns die Stadt von oben angeschaut. Soweit ich gehört habe kann man in Guatemala Stadt nicht viel verpassen, insofern reicht mir das auch. Danach haben wir noch irgendwo etwas gegessen und sind wieder zurück.

Heute morgen sind wir recht früh raus, weil ich auf die Deutsche Botschaft wollte, um ein polizeiliches Führungszeugnis zu beantragen, dass man mir dann nach Deutschland schickt. Die deutsche Bürokratie lässt es nämlich leider nur zu, dass man das höchstpersönlich beantragt. Ein Anruf, eine E-Mail oder vergleichbares ist den Herr- und Frauschaften ja nicht genug…

Für Deutschland ungewöhnlich, lässt die Botschaft uns nicht um Punkt 9 Uhr eintreten. Wir mussten etwas warten. Der Rest ging dann aber ganz flott. Die Formulare und den Nachweis der Bezahlung hatte ich parat, mein Reisepass wurde noch eingescannt, ich habe nochmal 20€ locker gemacht, damit Herr von und zu in den nächsten zwei Monaten seinen Stempel und seinen Kaiser Wilhelm darunter setzt und schon bin ich dem Work and Travel Visum für Kanada ein Stück näher. Da dieses aber letztendlich per Los entschieden wird, sagt es bis dato noch nichts aus. Nachdem das erledigt war, sind wir zurück haben unsere sieben Sachen gepackt und sind zum Flughafen.

Und hier stehe ich jetzt wieder alleine und schaue dumm aus der Wäsche. Wann wir uns wiedersehen steht in den Sternen. Diesmal wissen wir aber beide, dass es keine kurzfristige Möglichkeit geben wird, da mal schnell eine Woche zusammen zu verbringen.

Natürlich bin ich mir mal wieder nicht sonderlich im Klaren darüber, was als nächstes kommt. Ich weiß es gibt eine Busstation „El Trébol“ von der Busse nach Xela fahren. Das ist alles was ich weiß. Xela ist übrigens die Kurzform von Xelajú und der Maya Name für Quetzaltenango. So heißt die zweitgrößte Stadt Guatemalas eigentlich. Aber keine Sau nennt sie so. Ist ja auch super lang.

Zurück zu meinem „Plan“. Sind das nun Chicken Busse oder kann ich da auch ein Shuttle nehmen? Es ist kurz nach 14 Uhr. Wenn ich in ein Chicken Bus einsteige, kann es sein, dass ich einen Teil der Strecke im Dunkeln fahre und das ist nicht sehr ratsam. Am Morgen habe ich nochmal schnell ein paar Busanbieter ausfindig gemacht, die zu erschwinglichen Preisen sicherere Busse anbieten. Aber ich schau mir jetzt mal an, was bei „El Trébol“ so abgeht. Also laufe ich ein Stück vom Flughafen weg und steige in das erstbeste Taxi, dass schon auf mich zu warten scheint.

Ein paar Minuten später sehe ich Menschen, viele Menschen, eine große Straße und ein Chicken Bus nach dem anderen. Naja, was soll’s. Jetzt bin ich da und danach definitiv eine Erfahrung reicher. Kaum bin ich aus dem Taxi raus, rennen schon zwei Gestalten auf mich zu „XELA, XELA!!!“ Der ein reist mir den großen Rucksack aus der Hand und ehe ich dem anderen klarmachen kann, dass der andere Rucksack bei mir bleibt, sehe ich schon, wie der große Rucksack mit einer großen, runden Bewegung auf dem Dach landet. Genau deshalb bleibt der andere Rucksack nämlich bei mir! Ich bin immer noch fasziniert davon, mit welcher Leichtigkeit diese kleinen Kerlchen die ganzen schweren Sachen auf diesen großen Bus bringen. Auf der anderen Seite ist aber auch klar, dass die seit ihrer Jung wahrscheinlich nichts anderes machen.

Vor lauter Gebrüll und Hektik um mich herum vergesse ich den Taxifahrer zu bezahlen und bin schon fast im Bus, bevor er mich freundlich daran erinnert, dass ich noch nicht gezahlt habe. Das ist mir jetzt etwas peinlich. Dafür gebe ich ihm aber auch ein kleines Trinkgeld.

Nun sitze ich im Bus. Und der fährt nicht mal los… Da machen die Jungs mich so Kirre und im Endeffekt warte ich noch gute 20 Minuten, bis der Bus los rollt. Wie unnötig von mir. In so einem Tumult verliert/vergisst man gerne mal etwas oder bekommt etwas geklaut. Soweit scheint aber alles da zu sein, bis auf meinen großen Rucksack. Der ist leider ohne Regenhülle auf dem Dach. Habe ich vergessen. Verdammt! Hoffentlich regnet es nicht. 10 Monate Regenzeit, Mathias! Trottel!!! Irgendwann werde auch ich es lernen. Spätestens, wenn der Inhalt meines Rucksacks komplett nass ist und ich nichts zum Anziehen habe.

Als wir losfahren, hält er alle paar hundert Meter an, der Assistent rennt wie ein Irrer los, sammelt Leute ein, schafft Gepäck aufs Dach und wir fahren los. Manchmal springt der Typ während der Fahrt von außen auf, manchmal sehe ich ihn nicht mehr und manchmal klettert er bei voller Fahrt vom Dach in die Kabine. Alles Routine!

Da man überall vor diesen Bussen gewarnt wird, „Ständig steigen Leute ein und aus!“ „Man weiß nie, wer mitfährt!“ „Wollt ihr wirklich nackt ankommen!?“ fühle ich mich zu Beginn nicht so wohl. Alle gaffen mich beim Einsteigen an und ich nehme jeden genau unter die Lupe und wäge ab, was er/sie für ein Typ ist. Als ob es mir irgendwas bringen würde. Ein Nickerchen versuche ich zu vermeiden. Ich bleibe wachsam.

Außerhalb der Stadt nimmt der Fahrer ordentlich Fahrt auf. Ich hätte nie gedacht, dass die Dinger so schnell fahren können und nach der ersten Kurve auf dem Highway bereue ich es, es je erfahren zu haben. Ich fühle mich als hätten wir eine Neigung von 45° und der Bus wäre nur ein Hauch des Schicksals davon entfernt umzukippen. Das ist wie Achterbahn fahren, nur dass man sich neben dem Nervenkitzel kein Sicherheitsgefühl hat. Ich habe ja schon öfter mal geschrieben, dass es eine wilde Fahrt war. Da waren aber meistens die Straßenverhältnisse ein Teil des Problems. Hier sind die Straßen eigentlich ganz gut. Also zumindest der Highway auf dem wir unterwegs sind. Aber dieser Chicken Bus oder besser gesagt der Fahrer fährt, als wäre er in Deutschland und hätte einen Porsche oder einen Audi A(bgas) unter seinem Allerwertesten. Links und Rechts fährt er an allem vorbei. Es wird gehupt wie ein Weltmeister und die Hupe hört sich an, wie ein verdammter Zug. Irgendwann merke ich, dass er auch andere Busse überholt. Das macht zumindest etwas Hoffnung, dass andere Fahrer weniger aggressiv den Schwerpunkt dieser Busse testen. Das einzig witzige daran ist, dass man immer wieder beobachten kann, wie die Hände aller Insassen gleichzeitig nach vorne schießen, um sich vor der Kurve am Sitz festzuhalten. Alles Routine!

Wie erwartet, hält der Bus in den verschiedenen Ortschaften an, der Assistent rennt los, brüllt herum, rennt mit Gepäck nach hinten, rennt wieder nach vorne oder auch nicht, Leute steigen ein und aus und wir fahren weiter. Ich bin der einzige Touri/Westler im Bus. Ich sitze oft alleine. Die Leute meiden mich. Naja, mir Wurst. So habe ich mehr Platz.

Nach etwa der Hälfte der Strecke stehen wir im Stau, nicht das erste Mal. Es scheint diesmal eine Baustelle zu sein. Irgendwann wird es den Jungs wohl zu dumm und kurzerhand springt einer ab, stellt das Baustellenschild auf die Seite und wir brettern durch die Baustelle. Im Affenzahn, halb in der Baustelle und halb auf dem Bordstein rasen wir unserem Ziel entgegen. Was nicht passt wird eben passend gemacht…

Als wir Xela in ankommen ist es bereits über eine Stunde dunkel. Schon die ganze Fahrt über versuche ich mich an Hotels oder Restaurants auf der Strecke zu orientieren, suche sie auf meiner MAPS.ME App und kann so ab und zu sehen, wo wir gerade sind. Mein GPS ist nämlich schon seit gut einem Jahr im Arsch und ich habe mir noch keine Sim-Karte von Guatemala gekauft.

In Xela selbst merke ich, dass wir immer weiter von dem Punkt entfernt sind, an den ich eigentlich will. Also steige ich irgendwann aus und stehe in einer nicht sonderlich gut beleuchteten Stelle einer mittelgroßen Straße etwas außerhalb des Stadtkerns. Genau da, wo ich eigentlich nicht hin will/sein sollte 😀

Ein älterer Mann neben mir telefoniert und versucht ein Taxi zu bekommen. Ich spreche ihn an und sage, dass ich auch eins brauche. Somit bin ich schon mal nicht alleine. Er ist sehr nett und wirkt vertrauenswürdiger als alles was ich sonst im Umkreis ausmachen kann. Einen Augenblick später läuft ein ordentlich aussehender Mann vorbei und fragt ob wir ein Taxi brauchen. Er wartet gerade auf seinen Sohn, sein Taxi steht einen Block entfernt. Wenn wir kurz warten, kann er uns fahren. Ich habe ein gutes Gefühl und stimme zu. Nach ein paar Minuten kommt sein Sohn. Sehr sympathisch. Nach ein paar weiteren Minuten steht der Mann mit seinem Taxi vor uns, wir laden ein und fahren los. Er kennt zwar das Hostel nicht, weiß aber ungefähr wo wir hin müssen. Nach 15 Minuten fahrt stehen wir irgendwo ziemlich nahe an meinem Ziel. Der Taxifahrer und sein Sohn sprinten in verschiedene Richtungen los und fragen sich durch. Ich spreche vom Taxi aus auch ein paar Leute an und sie können mir helfen. Im gleichen Augenblick kommt der Fahrer angerannt. Er hat es gefunden. Jetzt hilft er mir noch mein Gepäck zum Hostel um die Ecke zu bringen und ich bin endlich da. Man wird vor allem gewarnt, aber das die Menschen hier auch unheimlich nett sein können, davon spricht hier keiner…

Noch etwas zum Schmunzeln am Schluss: Das Taxi vom Flughafen zur Busstation 40Q (~4,5€)/15 Minuten, der Bus von Guatemala Stadt nach Xela 35Q (~4€)/6 Stunden und das Taxi vom Bus an mein Hostel 30Q (~3,5€)/15 Minuten.

4 thoughts on “77 Von Guatemala City nach Xela oder 45° im Chicken Bus”

  1. hallo Matthias, man denkt, dass du alle Beförderungsmöglichkeiten durch hast und dann kommt doch wieder was spezielles. Hoffe, du findest was nettes, um deinen Geburtstag zu feiern. Solange du immer wieder gesund wirst wünsche ich dir weitere spannende Entdeckungsreisen! Grüße, Claudia

    1. Deshalb macht man das ja, um immer wieder etwas neues zu entdecken 🙂
      Leider habe ich flach gelegen und daher nicht gefeiert. Gibt Schlimmeres 😉
      Nächstes Jahr wird’s besser!
      Dankeschön!!!

  2. Lieber Mathias, ich nehme deinen heutigen Feiertag zum Anlass, mal wieder ein Hallo in die Ferne zu schicken mit den allerbesten Geburtstagswünschen!!! Lass es dir gut gehen! Hoffentlich fühlst du dich nicht so einsam… Wie schön, dass dir auf deiner Reise schon etliche Herzensmenschen begegnet sind- besonders die entzückende Paola!
    Wünsche dir für dein Kanada-Work&Travel-Projekt viel Glück! Und natürlich für alles davor, danach und dazwischen! -Noch viele gute Erkundungen und Begegnungen!
    Vielleicht & hoffentlich packt dich dann doch nochmal das Heimweh nach dem kleinkarierten, miefigen, um seine Aufgeräumtheit besorgten und dennoch liebenswert ehrgeizigen und vielfältigen Teutonia! Auch hier gibt es Herzensmenschen, die dich sehr vermissen…
    „Mein Herz – meine Seele – mein Karma“ gefällt mir! ? Take care & stay gold!
    Moni. LG auch von Moussa.
    …Bin schon wieder gespannt auf dein nächstes Kapitel! ?

    1. Hallo Moni,
      da freue ich mich aber sehr drüber. Vielen lieben Dank!!!
      Man trifft wirklich allerlei besondere Menschen und manche sind eben noch etwas mehr besonders 😉
      Irgendwann werde ich bestimmt mal wieder nach Hause kommen und dass da einige auf mich warten weiß ich. Ist ja auch nicht so, dass ich meine Liebsten nicht vermissen würde 🙂
      Danke für deine schönen Worte!
      Ganz liebe Grüße an Moussa und den Rest der Familie!!!

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